REWI Uni Graz: Am 9. Juni findet anlässlich Ihres runden Geburtstags ein Symposium statt. Man hat eines Ihrer Lieblingsforschungsthemen, das Weltraumrecht, als Thema gewählt. Zahlreiche Gratulanten stellen sich ein. Auch Minister Polaschek lässt es sich nicht nehmen, persönlich vorbeizuschauen. Sie blicken inklusive Studienzeit auf mehr als 60 Jahre an der Uni zurück, waren u.a. Dekan und Rektor. Worauf blicken Sie zurück, was Ihnen Freude bereitet hat?
Christian Brünner: Ich war stolz, zum jüngsten Rektor der Universität Graz gewählt worden zu sein. Das Rektorsamt war für mich freilich kein Ehrenamt, sondern eine Managementaufgabe: Rahmenbedingungen zu schaffen und zu gestalten, die es ermöglichen, Aufgaben in Forschung und Lehre möglichst effektiv und effizient zu erfüllen. Ich hatte – abgesehen von der Universitätsdirektion – nur eine halbe Sekretärin zur Seite. Am Ende meiner vierjährigen Rektorszeit konnte ich auf ein Büro für Auslandsbeziehungen, ein Außeninstitut als Transferstelle zur Öffentlichkeit hin und eine Stabsstelle für Planung und Organisationsentwicklung zurückschauen.
Wichtig war mir auch der Öffentlichkeit Rechenschaft darüber abzulegen, welche Aufgaben die Universität für Staat und Gesellschaft erfüllt. Zu diesem Zweck gründete ich 1988 das Magazin „UNIZEIT“, ein „Sprachrohr“ nach innen und nach außen. Die Öffentlichkeitsarbeit war mir übrigens auch wichtig, als ich zum Vorsitzenden der Österreichischen Rektorenkonferenz – als erster Rektor einer Universität außerhalb von Wien – gewählt wurde.
Die größte Freude war es, dass ich in den vier Jahren meines Rektorsamtes 5200 Absolventinnen und Absolventen promovieren und graduieren konnte. Studierende aus damals sechs Fakultäten, darunter die Medizinische Fakultät. Ich habe ihre Ausgliederung nicht goutiert, weil uns ein Stück universitas abhandengekommen ist.
In den 80er-Jahren tobte der Iran-Irak-Krieg, und die Islamische Revolution hatte Fuß gefasst. Dies führte dazu, dass junge Menschen den Iran verließen, nach Österreich kamen und hier studieren wollten. Das Universitätsgesetz verwehrte ihnen dies, denn Voraussetzung für die Zulassung war eine Zulassung an einer Universität im Heimatland. Diese konnten sie nicht vorweisen. Für mich war es aber inakzeptabel, dass kriegerische, menschenrechtswidrige, politische Zustände im Ausland in Österreich Relevanz haben sollten. Ich habe daher zahlreiche Studentinnen und Studenten aus dem Iran zum Medizinstudium zugelassen. Darunter war auch Herr Babak Bahadori. Er ist heute wohlbestallter Privatdozent und Facharzt. Er und seine Kolleginnen und Kollegen nennen sich Brünner’s Kinder. Dies ist für mich ein Ehrentitel und eine Freude.
Im Jahre 1988, 50 Jahre nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich und angesichts der unrühmlichen Rolle, die die Universität Graz in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt hat, war es mir wichtig, als amtierender Rektor der Universität ein Zeichen zu setzen. Nach Beratungen in einem kleinen Kreis haben wir den Vorschlag von Walter Höflechner aufgegriffen, einen Fonds zu gründen, mit dem das interkulturelle Verstehen und Lernen speziell im Hinblick auf die jüdische Kultur gefördert wird. Benannt wurde der Fonds nach David Herzog, dem 1938 vertrieben Landesrabbiner für Steiermark und Dozent für Semitische Philologie.
Wissenschaftlich ging Ihre Reise vom öffentlichen Recht zum Weltraumrecht. Im Weltraumrecht gehören Sie international zu den Pionieren, Sie wurden 2019 etwa mit dem Lifetime Achievement Award vom International Institute of Space Law ausgezeichnet. Wie kam es zu diesem Weg?
Ich bin mit dem Zug von Krieglach nach Bruck ins Bundesrealgymnasium gefahren. Im Zug waren Studierende der Hochschule für Montanistik in Leoben. Ich wollte daher Montaningenieur werden. 1959/60 hatte ich ein Stipendium des American Field Service und konnte ein Jahr bei einer Gastfamilie in den USA verbringen und das High School-Diplom erwerben. Ich habe die Diskriminierung der Afroamerikaner gesehen. Sie wurden in einigen Staaten gehindert, ihr Wahlrecht auszuüben. In der Festschrift der High School schrieb ich: The year in the USA was one of the most stamping periods in my life. I widened my horizon, I experienced as a value a more pluralistic society than Austria was but at the same time discrimination against black people – they were hindered to vote in some states – as a violation of human dignity. I consciously realized how important understanding between people – nations and races – is. All this led me to my profession as a lawyer with a social-scientific approach to law and as a university teacher with a conviction that education is an effective task against narrow-mindedness, intolerance and tutelage.
Zum Weltraumrecht kam ich erst fast am Ende meiner akademischen Laufbahn. In der Cafeteria der UNO in Wien wurde ich 2001 überredet, den National Point of Contact Austria des European Centre for Space Law (ECSL) zu gründen und aufzubauen. Das Weltraumrecht bereitet mir seither Freude.
Seit 20 Jahren bin ich Mitglied des Boards des ECSL. Ich bin ferner Wirkliches Mitglied der International Academy of Astronautics.
Was war ein einschneidendes Erlebnis auf Ihrem Weg in den Weltraum?
Ein einschneidendes Erlebnis betreffend Weltraum hatte ich 1991. Ich war parlamentarischer Wissenschaftssprecher der ÖVP und konnte als Mitglied der österreichischen Delegation im Kosmodrom von Baikonur, Kasachstan, den Start der Sojusrakete TM 13 beiwohnen, die im Rahmen der Austromir-Mission Franz Viehböck zur russischen Raumstation MIR brachte. Herr Professor Willibald Riedler war treibende Kraft der Mission und deren wissenschaftlicher Leiter. Er hat aus dem Sternenstädtchen in der Nähe von Moskau den Start und den Flug der Rakete kommentiert.
Ist der breiteren Öffentlichkeit die Bedeutung der Erforschung und Nutzung des Weltraums bewusst?
Der breiteren Öffentlichkeit ist nicht bewusst, was die rund 4000 Satelliten, die die Erde umkreisen, für das Funktionieren unseres täglichen Lebens auf den Gebieten der Navigation, der Telekommunikation und der Erdbeobachtung leisten. Jüngste Beispiele sind: Die Starlink-Satelliten des Elon Musk sichern in der Ukraine den Zugang zum Internet. Satellitenbilder der nächtlichen Erde zeigen nicht nur die Ausbreitung menschlicher Siedlungen, sondern auch die der Armut; dies ergab eine Studie des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg bei Wien. Das James-Webb-Weltraumteleskop sendet erste spektakuläre Bilder, und es soll in Zukunft einen Blick in die fernste Vergangenheit des Universums werfen.
Wie blicken Sie auf Ihren Ausflug in die Politik zurück?
Die Welt der Politik läuft nach anderen Regeln als die der Wissenschaft. Trotzdem bin ich dankbar, sie erfahren zu haben. Auch als Politiker, nicht nur als Rektor, war mir das Gestalten wichtig. So konnte ich meine Handschrift beim Universitäts-Organisationsgesetz 1993, beim Fachhochschul-Studiengesetz 1993 (schon in der Österreichischen Rektorenkonferenz habe ich den Boden für die Fachhochschule aufbereitet), bei den rechtlichen Voraussetzungen für die Gleichbehandlung von Frauen an den Universitäten und dem Gentechnikgesetz hinterlassen. Bei der Geschäftsordnungsreform des Landtags Steiermark war mir die Stärkung der parlamentarischen Minderheitenrechte ein Anliegen.
Wer ist Ihnen aus Ihrer Studienzeit in besonderer Erinnerung?
Ich erinnere mich an Peter Handke. Er saß mit dunkler Brille in den Vorlesungen in der letzten Reihe des jeweiligen Hörsaals.
Wobei findet man Sie gerne privat?
Ich habe (leider) kein wirkliches Hobby. Freude bereiten mir das Reisen, internationale Kontakte und der Besuch von Ausstellungen, zuletzt die Ausstellung Sigmund Freud und Salvador Dalí, eine Obsession.
Hinweis: Nachhaltigkeit im Weltraum (Sustainability in Outer Space) - Ein Symposium aus Anlass des 80. Geburtstags von em.o.Univ.-Prof. Dr. Christian Brünner am 9. Juni (Infos)