Die Vereinten Nationen zählen heute 193 Mitgliedstaaten und beschäftigen weltweit rund 44.000 Mitarbeiter_innen. Der Zweite Weltkrieg und die Schrecken, die er brachte, gaben 51 Staaten den Anstoß zu ihrer Gründung am 24. Oktober 1945 als Projekt für Frieden und Sicherheit, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Mit diesen Zielen hat sich die internationale Organisation zum wichtigsten Forum für internationale Beziehungen und der Wiege von bedeutenden Initiativen und zentralen Konventionen im internationalen Recht entwickelt. Hier pulsiert das Völkerrecht.
Die einmalige Gelegenheit, dieses Pulsieren anhand von Arbeiten mit dem Völkerrecht aus nächster Nähe kennenzulernen, erhielt Lisa Seyfried. Die Doktoratsstudierende durfte im Sommersemester einen Blick hinter die Kulissen der Vereinten Nationen werfen und für ein zweimonatiges Praktikum zur Völkerrechtskommission (International Law Commission, ILC) der UNO nach Genf reisen. „Im Rahmen meiner Dissertation beschäftigte ich mich mit dem Wesen der völkerrechtlichen (Staaten)Immunität und deren Behandlung im österreichischen Recht“, führt die Mitarbeiterin am Institut für Völkerrecht aus und ergänzt: „Die ILC, deren Aufgabe als Hilfsorgan der UN-Generalversammlung die fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts und seine Kodifikation ist und diese Aufgabe im Wesentlichen über die Vorbereitung von Konventionsentwürfen durchführt, beschäftigte sich zu diesem Zeitpunkt intensiv mit dem Thema ‚Immunität von Staatsbediensteten vor ausländischer Strafgerichtsbarkeit‘. Ein Thema, welches in einem engen Zusammenhang mit meinem Dissertationsprojekt steht.“
Ein idealer Zeitpunkt also, ein Praktikum bei der ILC zu machen – und diesen konnte Lisa Seyfried perfekt nutzen. Sie durfte etwa an Sitzungen der Völkerrechtskommission zur Ausarbeitung von Konventions-Artikeln betreffend die völkerrechtliche Immunität von Staatsbediensteten teilnehmen, im Rahmen derer wichtige Fragen rund um die Gewährung völkerrechtlicher Immunität debattiert, aber auch die divergierende Staatenpraxis beleuchtet wurden. „Es war sehr spannend, in den Sitzungen anwesend zu sein und die Diskussionen hautnah miterleben zu dürfen. Die unterschiedlichen Denkansätze und divergierenden Zugänge zu diesem Thema sind für mein Dissertationsprojekt von großem Wert“, schildert die Doktoratsstudierende begeistert aus ihren Erfahrungen in Genf. Daneben erhielt sie im Zuge des Praktikums Einblicke in weitere spannende wie aktuelle Fragestellungen, die bei der ILC in ihrer 73. Sitzung im vergangenen Frühjahr/Sommer diskutiert wurden: „Protection of the environment in relation to armed conflicts“, „Peremptory norms of general international law (jus cogens)“ und „Sea level rise in relation to international law“.
Angesichts der aktuellen Entwicklungen rückten Themen wie der Schutz der Umwelt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten sowie der Anstieg des Meeresspiegels aus völkerrechtlicher Sicht bei der diesjährigen Sitzung der ILC in den Vordergrund. Im Hinblick auf den Meeresspiegelanstieg untersuchte die Kommission unter anderem zwei komplexe Problemstellungen: Zum einen beschäftigte sie sich mit möglichen Konsequenzen des Meeresspiegelanstieges im Hinblick auf die „Staatlichkeit“ von Staaten und setzte sich dabei eingehend mit der Vermutung der Kontinuität der Souveränität nach faktischem Wegfall der Kriterien für die Staatlichkeit eines Staates sowie mit etwaigen daraus resultierenden Entschädigungen für den betroffenen Staat auseinander. Zum anderen befasste sich die Kommission im Zuge dessen mit dem Schutz von Personen, welche durch den Meeresspiegelanstieg (besonders) betroffen sein werden und bereits sind und thematisierte in diesem Zusammenhang – aufgrund des noch fehlenden rechtlichen Rahmens für den Schutz solcher Personen – die mögliche Anwendbarkeit anderer Rechtsnormen, wie beispielsweise die Menschenrechte, das humanitäre Völkerrecht sowie das Flüchtlingsrecht.
Lisa Seyfried zum Praktikum: „Das Praktikum bei der ILC bot mir die einzigartige Gelegenheit, Einblicke in die wichtige Arbeit der Kommission zu gewinnen, wertvolle Erfahrungen in Bezug auf mein Forschungsprojekt im Bereich der völkerrechtlichen Immunitäten zu sammeln und allen voran einem Mitglied der Völkerrechtskommission bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen und von seiner Expertise zu profitieren.“
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