REWI: Am 1. Juli 2020 traten Sie an der REWI Graz eine Professur für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an. Wie ist es Ihnen in den ersten Wochen in der neuen Position gegangen?
Klaus Poier: Ich bin wirklich sehr stolz, in die Fußstapfen von so großartigen Professoren wie Wolfgang Mantl und Joseph Marko treten zu können und die von ihnen geschaffene Tradition der interdisziplinären Verknüpfung von Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft an unserer Fakultät in Forschung und Lehre fortsetzen und weiterentwickeln zu können. Obwohl ich ja schon länger an der Fakultät tätig bin, waren die vergangenen Wochen eine Umstellung. Der Auf- und Ausbau meines Arbeitsbereichs ist intensiv. Vieles lässt sich dabei nicht unbedingt am Reißbrett planen, sondern entwickelt sich. Und Corona macht es ja auch nicht unbedingt leichter.
REWI: Sie widmen sich in Ihrer Forschung vor allem dem Verfassungsrecht und der Politik. Welche Entwicklungen verfolgen Sie gerade mit Spannung?
Klaus Poier: In einer Reihe gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Bereiche hat Corona viel verändert, auch in der Verfassungsrechtswissenschaft und Politikwissenschaft. Nehmen wir meine Arbeitsschwerpunkte Demokratie, Wahlrecht und Populismus als Beispiele: Die Auswirkungen der Pandemie auf die Demokratie haben wir in der Steiermark durch die Verschiebung der Gemeinderatswahlen schon sehr früh gesehen. In Ländern wie Ungarn oder Polen sehen wir Maßnahmen, die zu Recht auf ihre Vereinbarkeit mit Demokratie und Rechtsstaat diskutiert werden. Populistische Parteien sind rasch auf den Zug von Corona-Verschwörungstheorien aufgesprungen. Und spannend wird etwa auch zu beobachten sein, wie bzw. ob die Pandemie den BREXIT beeinflussen oder prägen wird.
REWI: Sie haben die REWI Graz auch als Studierender kennengelernt. Was haben Sie aus Ihrer Studienzeit noch besonders in Erinnerung?
Klaus Poier: Die große Begeisterung und Spannung, was mich auf der Uni erwartet, zu Beginn meiner Studienzeit ist mir in besonders schöner Erinnerung. Inskribiert habe ich Jus und BWL, wobei mich dann doch Jus aufgrund der Nähe zu politischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen mehr in den Bann gezogen hat. Schnell habe ich auch gesehen, wie sehr engagierte Professor*innen einen mitreißen können. Das sehe ich auch als einen ganz wichtigen Aspekt unserer Arbeit: Die Leidenschaft und Faszination für unsere Fächer an junge Menschen weiterzugeben und sie dadurch auch für diese zu begeistern.
REWI: Wie ist bei Ihnen der Wunsch entstanden, Professor zu werden?
Klaus Poier: Dieser Wunsch ist bei mir erst sehr spät entstanden. Bis kurz vor der Matura wollte ich einen ganz anderen Weg einschlagen und Pfarrer werden. Auch Lehrer zu werden, stand einmal im Raum, mein Mathematikprofessor schlug mir das vor. Doch an einer Schule zu unterrichten, das konnte ich mir eher nicht vorstellen – das Szepter in einer Schulklasse in der Hand zu behalten, ist doch eine besondere Herausforderung. An der Uni oder – wenn auch schon schulähnlicher – an der FH, wo ich auch unterrichte, ist das doch etwas anders. Dennoch wollte ich nach der Matura zuerst Manager werden, wodurch sich meine Studienwahl für Jus und BWL erklärt.
Dass der Berufswunsch Professor dann während des Großteils meiner Studienzeit überhaupt nicht präsent war, hatte auch mit der geringen Chance zu tun, an der Uni eine entsprechende Stelle zu bekommen. Ich hantelte mich dann selbst zwar von einem unsicheren Anstellungsverhältnis zum nächsten, ernsthaft mit einer Wissenschafterkarriere setzte ich mich allerdings erst auseinander, als es eine langfristige Perspektive gab. Und als ich sah, dass das, was ich in Forschung und Lehre machte, Anklang fand, bestärkte es mich, diesen Karriereweg weiterzuverfolgen.
REWI: Neben Ihrer Tätigkeit als Professor bekleiden Sie spannende Funktionen: Sie sind Politikberater insbesondere bei Regierungsverhandlungen, Mitglied des ORF-Stiftungsrats, fungieren als Generalsekretär des Club Alpbach Steiermark und sind Aufsichtsratsvorsitzender eines Industrieunternehmens.
Klaus Poier: Ich forsche und lehre sehr gerne, will jedoch nicht nur im Elfenbeinturm der Wissenschaft sitzen. Mir ist der persönliche Bezug zur Praxis wichtig, um Ideen aus der Forschung bei ihrer praktischen Umsetzung mitzuerleben. Auch umgekehrt bereichert mich die Praxis sehr, finde ich hier doch regelmäßig Themen für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung. Von der Tätigkeit im ORF-Stiftungsrat nehme ich viel über das Verhältnis von Politik und Medien oder die Entwicklung und die Zukunft der Medienlandschaft mit. In meiner nun mittlerweile 15-jährigen Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender eines kleinen Industrieunternehmens, das Bohrköpfe für die Holzverarbeitung herstellt, lerne ich Wertvolles über wirtschaftliche Zusammenhänge, sehe, wie man Unternehmen durch Krisenzeiten wie etwa die aktuelle steuert, welche Rolle der Sozialstaat spielt oder wie Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Das hilft ungemein, rechtliche, soziale und politikwissenschaftliche Zusammenhänge besser zu verstehen. Insofern kosten die unterschiedlichen Tätigkeiten zwar Zeit, stellen jedoch eine wesentliche Bereicherung für meine Arbeit an der Uni dar.
REWI: Wenn Sie wirklich einmal abschalten können, was unternehmen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Klaus Poier: Mir ist es unheimlich wichtig, den Kontakt mit meiner Familie und Freunden zu halten und gemeinsam etwas zu unternehmen. Ich lese auch sehr gerne, doch da ich auch beruflich viel zu lesen habe, spielen meine Augen nicht mehr ganz so mit, wodurch ich zum Teil auf Serienschauen umgestiegen bin: Die Staffeln von Suits und The Big Bang Theorie habe ich mittlerweile schon drei Mal angesehen…
Eine weitere Leidenschaft ist der Fußball. Seit meiner Kindheit bin ich großer Sturm Graz-Fan und nach wie vor stolzer Dauerkartenbesitzer. Bei etwa der Hälfte der Heimspiele schaffe ich es, Sturm im Stadion mitanzufeuern. Ich freue mich auch schon, wenn die Pandemiesituation das Fußballerlebnis nicht länger trübt… Auch aktiv betreibe ich gerne Ballsportarten – Laufen alleine macht mir nicht so viel Freude, mit einem Ball dafür umso mehr. Über die Jahre ist der Ball, dem ich hinterherlaufe, allerdings kleiner geworden: Vom Fußball ging’s zum Tennisball, nun ist es der Golfball.
REWI: Was steht für die nächste Zeit ganz oben auf Ihrer To-do-Liste?
Klaus Poier: Ich habe mir vorerst einmal drei Schwerpunkte vorgenommen. Jedenfalls weiter vertiefen möchte ich meine Arbeiten im Bereich Wahlrecht und direkte Demokratie. Hier werden aktuell ganz spannende Fragen aufgeworfen, insbesondere auch hinsichtlich der Digitalisierung. Daneben werde ich mich auch dem Thema Populismus weiter widmen, welcher mit Sicherheit eine der zentralen Herausforderungen für die weitere Entwicklung der Demokratie sein wird. Und schließlich möchte ich mich verstärkt mit Hochschulrecht und Hochschulmanagement beschäftigen.
An der REWI-Fakultät hat mir der Dekan die spannende Aufgabe der Betreuung der neuen Veranstaltungsreihe „REWI im Gespräch“ übertragen. In diesem Format werden wir Theorie und Praxis verknüpfen, indem wir aktuelle Fragestellungen mit Forscher*innen der REWI und interessanten Persönlichkeiten aus der Praxis kurzweilig, aber tiefgründig diskutieren. Ich freue mich schon jetzt auf interessante Gespräche und befruchtende Begegnungen!