REWI: Mit 1. Dezember traten Sie an der REWI Graz eine Professur für Unternehmensrecht unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Kartellrechts an. Wie geht es Ihnen in der neuen Position?
Viktoria Robertson: Ausgezeichnet, vielen Dank! Das Forschungsgebiet des Kartellrechts ist in Österreich noch recht jung. Umso wichtiger, dass dieser Forschungsschwerpunkt mit der Professur jetzt erstmals fest an der REWI Graz verankert ist. Das Kartellrecht ist ja eine klassische Querschnittsmaterie: teils privatrechtlich geprägt (man denke an die private Kartellrechtsdurchsetzung vor dem Kartellgericht oder an Kartellschadenersatzklagen vor Zivilgerichten), teils öffentlich-rechtlich geprägt (man denke an die Durchsetzung des Kartellrechts durch die Wettbewerbsbehörden und die dabei verhängten Geldbußen), in Österreich natürlich auch stark europarechtlich geprägt. Unsere Studierenden von heute werden in Zukunft jene Unternehmen leiten, welche sich an die kartellrechtlichen Spielregeln halten müssen. Eine meiner Hauptaufgaben wird es sicherlich sein, Studierende früh mit diesem Rechtsgebiet vertraut zu machen, um sie für die Zukunft zu rüsten.
REWI: Im Dezember werden bei Best of REWI alljährlich die Top-Absolvent_innen des letzten Studienjahres ausgezeichnet. Sie waren im Ranking auch ganz vorne dabei und sind als Beste Ihres Jahrgangs auf einer Tafel im RESOWI verewigt. Woran denken Sie, wenn Sie an dieser Tafel vorbeigehen?
Viktoria Robertson: Das ist schon so lange her! Vielleicht sogar schon verjährt? Aber ganz im Ernst: Es war damals eine schöne Anerkennung, für vier Jahre zielstrebiger Arbeit ausgezeichnet zu werden. Mein REWI-Award von H.W. Hundstorfer hat nach wie vor einen besonderen Platz in meinem Büro. Was sicher alle auf dieser Ehrentafel Genannten vereint, ist ihre Begeisterung für das Fach – und die ist bei mir nach wie vor ungebrochen.
REWI: Stand für Sie schon zu Studienende der Wunsch fest, Professorin zu werden?
Viktoria Robertson: Ich war bereits in meiner Studienzeit als Studienassistentin tätig. Da habe ich schnell gemerkt, dass mich das wissenschaftliche Arbeiten begeistert. Das hat sich dann auch während meiner Zeit als Universitätsassistentin bestätigt. In meiner Studienzeit hätte ich mir aber mehr Präsenz weiblicher Professorinnen gewünscht. Die gläserne Decke ist nicht verschwunden, da gibt es noch viel zu tun. Es haben mich aber auch viele Professorinnen dazu inspiriert, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen – hier in Graz, aber auch in Zaragoza und in Oxford. Gerade im internationalen Kartellrecht gibt es Professorinnen, die bereits auf die 90 zugehen und nach wie vor zu den Vordenkerinnen unserer Disziplin zählen!
REWI: Uni Oxford, Uni Stanford oder Max-Planck-Institut in Hamburg – Sie forschten an einer Reihe von Institutionen mit klingenden Namen. Welche Erfahrungen nahmen Sie von diesen mit? Gibt es Unterschiede zur Forschung an unseren Unis?
Viktoria Robertson: Meine Forschung war immer sehr international ausgerichtet, schon für meine Diplomarbeit habe ich in London geforscht. Wichtig ist aber nicht der klingende Name einer Institution, sondern was dahintersteht. Und da ist der persönliche wissenschaftliche Austausch innerhalb der Rechtswissenschaften und darüber hinaus ganz zentral. Nicht zu vergessen außerdem eine exzellente Forschungsinfrastruktur, für uns Rechtswissenschaftler_innen also eine hervorragende Bibliothek und der Zugang zu juristischen Datenbanken. Was die von Ihnen angesprochenen Forschungseinrichtungen aber sicher zu Spitzenreiterinnen in meinem Fach macht, ist, dass sie den Forschenden ermöglichen, sich zu spezialisieren – und dadurch auch forschungsgeleitete Lehre auf höchstem Niveau anbieten können.
REWI: Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Forschung? Mit welchen Fragen haben Sie sich in der letzten Zeit besonders auseinandergesetzt?
Viktoria Robertson: Derzeit setze ich mich besonders mit der Anwendung des Kartellrechts in digitalen Sachverhalten auseinander. Zum Beispiel mit der Frage, ob Facebook, wenn es uneingeschränkt Nutzerdaten sammelt, damit aus kartellrechtlicher Sicht einen Ausbeutungsmissbrauch begeht. In meiner Forschung nehme ich vorwiegend einen rechtsvergleichenden Blick ein, zuletzt etwa unter Einbeziehung des brasilianischen Kartellrechts. Und auch eine Monografie über das österreichische Kartellrecht ist gerade im Entstehen – hier hat Prof. Posch, unser Dekan emeritus, mich mit der Kluwer International Encyclopaedia of Laws vernetzt, die meine Monografie demnächst veröffentlicht.
REWI: Was haben Sie sich für Ihre REWI-Professur vorgenommen?
Viktoria Robertson: Ein ganz zentraler Bereich ist die weitere Etablierung und Sichtbarmachung eines Forschungsschwerpunktes im internationalen Kartellrecht, besonders in Zusammenarbeit mit dem profilbildenden Bereich Smart Regulation. Außerdem leite ich an der Wirtschaftsuniversität Wien die Abteilung für Kartellrecht und Digitalisierung, da werden sich mit meiner REWI-Professur viele Synergien ergeben, auch um wissenschaftliche Fragestellungen des Kartellrechts in Österreich sichtbarer zu machen und wissenschaftlichen Nachwuchs zu gewinnen. Wir starten zum Beispiel bereits im Dezember mit einer virtuellen Diskussionsreihe unter dem Titel „Competition Law in Conversation“. Auch die Graz Law Working Paper Series, die ich seit Herbst 2020 mitherausgebe, soll den internationalen fachlichen Austausch an der REWI festigen. Alles Projekte, auf die ich mich sehr freue!