Herr Professor Bezemek, Sie waren gerade in New Orleans in der republikanischen Hochburg Louisiana. Die Stadt erholt sich noch von einem Terroranschlag Anfang des Jahres, für das Fest Mardi Gras wurde ein komplexes Sicherheitskonzept implementiert. Wie war die Stimmung dort?
Zunächst eine kleine Präzisierung: New Orleans ist, wie etwa auch Baton Rouge, eine demokratische Hochburg, eine Enklave im republikanischen Louisiana, wenn Sie so wollen. In der Stadt waren die Nachwehen des Terroranschlags, glaube ich, insgesamt beträchtlich. Am Abend konnte man aber stündlich sehen, wie die Feierlichkeiten in einer durchaus positiven Weise ausgeufert sind. Man hat fast schon den Eindruck haben können, als hätten es die Leute in besonderem Maße darauf angelegt, sich, New Orleans und das Leben dort zu feiern.
Donald Trump regiert in seiner zweiten Amtszeit als Präsident noch aggressiver als zuvor, oft per Dekret und ohne den Kongress zu befassen. Auf Demonstrationen skandiert man „Stop the Coup“. Erleben wir gerade wirklich einen Staatsstreich in den USA?
Diese Abgrenzung zwischen erster und zweiter Amtszeit wird ja in der Debatte oft vorgenommen, und sie ist durchaus nachvollziehbar: In der ersten Amtszeit schien vieles ungeplant, erratisch, im Wesentlichen aus einer Laune heraus. Dieses Mal wirkt vieles geplant, nicht weniger überfallsartig, aber vielleicht gerade deshalb überfordernd in der Art und Weise, wie radikal und in welcher Schnelligkeit bestimmte Schritte gesetzt werden. Ich glaube, es wird jetzt viel davon abhängen, wie hoch die Schlagzahl in den nächsten Wochen sein wird, wie stark die Geschlossenheit der Exekutive sich präsentieren wird, die ja an manchen Stellen zu bröckeln beginnt, und wie sehr sich insbesondere die repräsentative Demokratie in Gestalt des Kongresses wieder stärker einbringt. Nach so kurzer Zeit ein endgültiges Urteil zu fällen ist verfrüht, es ist gleichzeitig aber jedenfalls nicht verfrüht zu sagen: Es ist beachtlich, wie viel hier mit welchem Tempo passiert. Sollte das so weitergehen, hätte man tatsächlich ganz fundamentale Fragen zu stellen.
Elon Musk und das Department of Government Efficiency (DOGE) bedienen sich noch nie dagewesener Mittel, offiziell mit dem Ziel „Steuergeld zu sparen“. So entlassen sie etwa massenhaft öffentlich Bedienstete oder beenden Programme für Chancengleichheit (DEI – Diversity, Equity, and Inclusion) und Entwicklungszusammenarbeit (USAID). Erste Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit dieser Handlungen sind uneinheitlich – manche erlauben es DOGE, fortzufahren, andere nicht. Wird erst der US Supreme Court hier für Klarheit sorgen können?
Ich glaube das wichtigste Stichwort in dieser Frage lautet „Zuständigkeit“. Im Wesentlichen haben wir es hier mit etwas zu tun, was in der rechtswissenschaftlichen Literatur als „Constitutional Showdown“ bezeichnet wird. Es geht um Kompetenzen und die Frage, wem sie zukommen. Am Ende des Tages fußt die Art und Weise, wie die Trump-Regierung vorgeht, auf einem theoretischen Konstrukt, der sogenannten „Unitary Executive Theory“. Das ist eine Betrachtungsweise, die im Wesentlichen vom Präsidenten ausgehend sämtliche Exekutivgewalt seiner Oberhoheit unter- und dementsprechend auch zu seiner Disposition stellt. DOGE und Musk, der ja, wie jetzt auch regelmäßig vor Bundesgerichten argumentiert wird, nur eine beratende Funktion, aber keine eigentliche Exekutivfunktion haben soll, sind letztlich Ausläufer dieses Verständnisses, dass vor dem Hintergrund der Unitary Executive Theory alles auf Donald Trump als Präsident zurückzuführen ist, der hier nach freiem Dafürhalten schalten und walten kann – und es auch tut.
Kompetenzen wahrzunehmen, und darüber zu befinden, inwiefern sie legal ausgeübt werden, ist letztlich eine Frage, die den Gerichten zur Klärung zukommt. Das sind Prozesse, die eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, das ist etwas, was nicht konform geht mit dieser raschen Art des Regierens, die manchen überfallsartig erscheint. Außerdem sind die Gerichte mitnichten völlig neutrale, gleichsam unbeteiligte Akteure. Natürlich sind auch sie in der Gewaltentrias Player mit einem eigenen Selbstverständnis. Und natürlich hat am Ende des Tages der Supreme Court das letzte Wort, er war jetzt auch schon zwischenzeitlich eingeschaltet. Derzeit ergeben sich dort – zum Beispiel, was die erwähnten eingefrorenen Mittel anlangt – spannende Allianzen zwischen der liberalen Minderheit und der konservativen Mehrheit. So haben sich die beiden Konservativen Chief Justice John G. Roberts und die letzte Trump-Ernennung Amy Coney Barrett auf die Seite der vier liberalen Stimmen geschlagen, um die Auszahlung von bereits vereinbarten bzw. geschuldeten Leistungen entsprechend der Anweisung eines Bezirksgerichts vornehmen zu lassen. Wir werden jetzt gespannt darauf warten, wie sich das künftig bei eigentlichen Sachentscheidungen entwickelt.
Zusammengefasst heißt das: Der Showdown ist derzeit wahrscheinlich einer zwischen den Gerichten, der sich in der Rechtsprechung des Supreme Court manifestiert, und der Exekutive in ihrem neuen Selbstverständnis. Das macht das Repräsentantenhaus und den Senat ein Stück weit zu Passagieren. Wie sehr sich die Legislative letztlich in dieses Spiel einfügt, ist wahrscheinlich die interessanteste Frage, die bis zu den Midterm Elections zu beantworten ist.
Elon Musk ist also wirklich nur als Berater zu betrachten und nicht als Leiter einer Behörde?
Das ist jedenfalls die Betrachtungsweise, die die amerikanische Verwaltung für sich selbst in Anspruch nimmt. Und das Justice Department sagt ja auch: Herr Musk nimmt diese Rolle organisatorisch so nicht wahr, und indem er sie genau so nicht wahrnimmt, dient er als funktionales Relais zum Präsidenten selbst, als „kurze Leitung“, wenn Sie so wollen. Somit agiert der Präsident selbst in seiner Handhabung von DOGE in der Art und Weise, wie er es eben für richtig hält. Wobei auch hier die Judikative begonnen hat, korrigierend einzugreifen: Es gibt ganz rezente Judikatur, in der ein Bundesgericht ausgesprochen hat, dass es sich bei DOGE um eine Government Agency wie jede andere handelt, die dementsprechend Transparenzvorschriften und dergleichen unterfällt. Hier beginnt also langsam ein Prozess einer organisatorischen Einbettung und Einhegung, die versucht, ordnend in diesen doch etwas unübersichtlichen Prozess einzugreifen.
Die Judikative wird die Trump-Regierung also dazu anhalten, sich festzulegen?
Jeder moderne Verwaltungsstaat - und dementsprechend auch die USA - lebt von einer mehr oder minder starren Organisation, innerhalb derer sich auch Kompetenzen leben und wahrnehmen lassen. Wir erleben jetzt schon, dass ein querliegendes funktionales Konstrukt wie DOGE der Trump-Administration Probleme bereitet, insbesondere hinsichtlich der Kompetenzabstimmung mit den anderen Organisationseinheiten. Marco Rubio zum Beispiel wird nachgesagt, kein besonders großer Freund der Aktivitäten von Herrn Musk und von DOGE zu sein. Er meint, keine Einschränkungen seitens DOGE dulden zu müssen, was die Personalhoheit über das Außenamt oder überhaupt das Staatssekretariat in den USA anlangt. Das ist etwas, was in den USA allgemein auch verwaltungsrechtlich akzeptiert ist. Man wird vor dem Hintergrund notgedrungen – und sei es nur in der inneren Abstimmung der Trump-Administration – eine nähere Konturierung und Festlegung der Zuständigkeiten unternehmen müssen, schlicht und ergreifend, weil man sich sonst gegenseitig blockiert. Sonst könnte man den Fortschritt, den man offenkundig anstrebt, schlicht nicht realisieren. Das ist die Innenperspektive. Die Außenperspektive ist die, dass diese Zuständigkeiten auch als rechtsstaatliche Kategorien zu begreifen sind, die zu wahren den Gerichten aufgetragen ist. Und wenn und soweit die Gerichte hier ihren Job machen müssen, müssen sie das genau in der Art der näheren Konturierung und Einhegung tun, um jenes fassbar zu machen, was sich der üblichen Verwaltungslogik entziehen will.
Auch Universitäten sind von den Maßnahmen betroffen, so werden unter anderem Forschungsvorhaben zum Klimawandel oder zu Genderfragen die Finanzierung entzogen oder Scholarship-Programme eingefroren. Wie ist es also um die akademische Freiheit in den USA bestellt?
Jede Art der Förderung wie auch jede Art des Förderungsentzugs des Staates gegenüber tertiären Bildungseinrichtungen und Forschungsinstitutionen bedingt natürlich ein gewisses Maß an Beeinflussung des dort Gelehrten und Erforschten. Das ist dem Selbstverständnis und der Logik von Förderungen bzw. des Förderungsentzugs geschuldet. Vor diesem Hintergrund überrascht derzeit wahrscheinlich vor allem die Plötzlichkeit und der scheinbar willkürliche Eingriff in bestimmte Aspekte. In besonderem Maße sind natürlich diejenigen betroffen, die mit genau diesen Bereichen vorrangig befasst sind. Und diese Kolleginnen und Kollegen haben es jetzt klarerweise schwer. Das betrifft nicht nur öffentliche Einrichtungen, wo der Zugriff natürlich deutlich unmittelbarer sein kann, sondern auch private Einrichtungen wie die Tulane University, an der ich jetzt gerade die letzten Wochen sein durfte. Das hat ein gewisses größeres Maß an Verunsicherung mit sich gebracht, weil man nicht weiß, wie es perspektivisch mit bestimmten Programmen aussieht, was wie aufrechterhalten werden kann, und inwieweit man sich seitens der Fördergeber*innen auch so etwas wie vorauseilenden Gehorsam erwartet – nicht, dass ein solcher geübt werden sollte! – was das Einschwenken auf eine gewisse politische Programmatik anlangt.
Wenn und soweit wir in diese Dynamik kommen, sind sich glaube ich alle Beteiligten, insbesondere natürlich die Kolleginnen und Kollegen an amerikanischen Universitäten, völlig des Umstandes bewusst, dass man in eine sehr ungesunde Spirale abgleitet. So könnten letztlich, und das ohne, dass unmittelbarer Druck seitens der Administration ausgeübt werden muss, vielleicht sogar Ergebnisse erzielt werden, die man sich seitens des Fördergebers oder des nicht-mehr-fördergewährenden Staates gar nicht so erhofft hätte. Ich glaube, was im Moment wie schon immer in Phasen der krisenhaften Zuspitzung, und insbesondere beim staatlichen Zugriff auf die Universitäten, wichtiger ist als je zuvor: Das notwendige Selbstbewusstsein der Angehörigen der Universitäten, auch mögliche Nachteile in Kauf zu nehmen für das größere Gut der Unabhängigkeit der Forschung und der Lehre, schlicht und ergreifend deswegen, weil diese einen Eigenwert haben, den es unbedingt zu verteidigen gilt.
Boulevardeske, aber leider notwendige Frage: Wird die Gewaltenteilung in den USA die Midterm Elections im Jahr 2026 noch erleben?
Die kurze Antwort muss lauten: Nein. Aber das ist wahrscheinlich eine Zuspitzung, die dem Umstand geschuldet ist, dass ich an ein System der Gewaltenteilung, so wie man es dem Wortverständnis beimessen könnte, sowieso nicht glaube. Ich tue das nicht einmal in der fein säuberlichen Dreiunterteilung der US-Verfassung, weil die Interdependenzen zwischen den Gewalten in den verschiedensten Funktionen, die sie ausüben, zu groß sind. Was interessant sein wird, ist die Frage, wie sich das Machtgewicht zwischen den einzelnen Gewalten künftig entwickelt, gerade mit Blick auf die Angehörigen des Kongresses und hinsichtlich der Midterm Elections. Die Legislative ist ja derzeit, wie mit freiem Auge ersichtlich ist, einer scheinbar übermächtigen Exekutive untergeordnet. Die Abgeordneten müssen aber aufgrund der heranstrebenden Wahlen umso stärker ein eigenes politisches Profil entwickeln und an Gewicht zulegen.
Und dann ist da eben noch die Frage, wie sich die Gerichte vor dem Hintergrund eigenwilliger Konstruktionen wie DOGE verhalten und in dieses Gleichgewicht der Gewalten einbringen. Am Ende des Tages ist es wahrscheinlich doch so, dass wenn und soweit wir uns am Anfang dieses Gesprächs über die Kompetenzfrage unterhalten haben, die Frage auch lauten muss: Wie sehr sind die rechtlich kompetenten Organe auch gewillt, diese Zuständigkeiten mit Leben zu erfüllen und ihnen entsprechend nachzukommen? So können sie verhindern, dass die USA in eine Situation kommen, in der sie schon einmal waren, nämlich als Andrew Jackson gesagt hat: „The Chief Justice has made his ruling, now let him enforce it.“ Es geht also darum, inwieweit alle Beteiligten von einer Gesamtverantwortung für die Republik getragen und bereit sind, rechtliche Vorgaben zu tolerieren oder diese vielleicht sogar als nützliche Restriktionen einer vielleicht anderweitig präferierten Politik zu empfinden. Das mag naiv klingen, aber vielfach ist der Glaube an Rechtsstaatlichkeit auch ein naiver. Er ist aber einer, der uns letztlich auch durch anspruchsvollere Zeiten trägt.