REWI Uni Graz: Anfang Dezember durften wir Sie als neue Professorin für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte an der REWI Uni Graz begrüßen. Wie ist es Ihnen in den ersten Wochen an der Fakultät gegangen?
Lisa Isola: Die erste Zeit an einem neuen Arbeitsplatz ist natürlich immer von technischen und administrativen Abläufen geprägt. Zugleich bemühe ich mich, alle Kolleg:innen an der Fakultät kennenzulernen und investiere viel Zeit in persönliche Gespräche, um richtig „anzukommen“. Zu wissen, woran die anderen arbeiten, wo es Überschneidungen für produktive Zusammenarbeit geben könnte, finde ich überaus interessant. Der Umstand, dass es dabei auch menschlich so ausgezeichnet harmoniert, verspricht ein gutes Arbeitsklima, was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist!
Wie entstand Ihr Interesse am Römischen Recht und an der Antiken Rechtsgeschichte?
Angesichts meiner schon seit Schulzeiten bestehenden Interessen (Geschichte und besonders die Antike hat mich immer interessiert) und des glücklichen Umstandes, dass ich mit den Rechtswissenschaften genau das Richtige für mich getroffen habe (von Anfang an hat mir die Beschäftigung mit juristischen Texten einfach wirklich richtig Spaß gemacht), war ein Interesse am Römischen Recht und der Antiken Rechtsgeschichte von vornherein ganz natürlich angelegt. Ich fand es auch schon als Studentin interessant; dass ich mich beruflich damit beschäftigen würde, war allerdings einem Zufall geschuldet.
Ich habe im Studium den Schwerpunkt auf Wirtschaftsprivatrecht gelegt (besonders das Insolvenzrecht hatte es mir angetan), aber im Zuge eines Gespräches, in welchem ich eigentlich nur um ein Empfehlungsschreiben bitten wollte, wurde mir die Bewerbung um eine vakante Stelle am Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte an der Universität Wien nahegelegt, was ich spontan und erfolgreich tatsächlich getan habe.
Sehr bald fand ich Anschluss an die internationale Forscher:innengemeinschaft, was für mich ein Initialerlebnis war. Diese Verbindung der Beschäftigung mit juristischen und historischen, philologischen, manchmal auch paläographischen oder epigraphischen Fragen, in Zusammenschau der Möglichkeit des Austausches auf internationaler Ebene mit Personen, die ebenfalls leidenschaftlich an derartigen Fragestellungen arbeiten, ist schon etwas Einzigartiges. Die allererste wissenschaftliche Veranstaltung führte mich übrigens an die REWI-Fakultät der Universität Graz, wo ein Treffen von Dissertant:innen und Habilitand:innen stattfand.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich momentan in Ihrer Forschung?
Da gibt es derzeit zwei große Komplexe: Einerseits habe ich eine Habilitationsschrift zur Konversion letztwilliger Verfügungen im klassischen Römischen Recht verfasst und davon ausgehend tun sich immer wieder weitere Aspekte auf, die ich vertiefe. Ich habe bspw. eine internationale Tagung zum Römischen Testamentsrecht veranstaltet und einen Tagungsband dazu herausgegeben, außerdem zu verschiedenen Themen auf diesem Gebiet vorgetragen und Aufsätze in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Daraus resultierte unter anderem eine Einladung zu einer internationalen Tagung schon für das Jahr 2024; das Thema wird mich also noch eine ganze Weile beschäftigen.
Das andere große Thema, mit dem ich mich aktuell auseinandersetze, ist die dingliche Einigung im System kausaler Tradition. Dazu hat zum einen gerade ein drittmittelfinanziertes Forschungsprojekt begonnen, welches ich eingeworben und an die Universität Graz mitgebracht habe, und zum anderen ist aus den Vorarbeiten zu diesem Projekt bereits das Manuskript einer weiteren Monographie entstanden, die hoffentlich Grundlage einer Verbreiterung meiner Lehrbefugnis – die neben dem Römischen Recht auch Zivilrecht umfassen sollte – sein wird.
Wo bzw. wie spielen Forschungsthemen mit Bezug zur Antike ins Heute hinein?
Paul Koschaker hat einmal formuliert, das Römische Recht sei „Mittler unter den großen Europäischen Privatrechtssystemen ..., die sich schließlich über den ganzen Erdball verbreitet haben“. Das bringt es sehr gut auf den Punkt: In allen Privatrechtskodifikationen Europas und darüber hinaus (was nicht nur eine Folge von Kolonialismus, sondern z.T. auch bewusster, freiwilliger Rezeption ist) sind die Spuren des Römischen Rechts so deutlich sichtbar, dass man manchmal den Eindruck gewinnt, einzelne Passagen seien bloße Übersetzungen des lateinischen Textes in die jeweilige Landessprache. Zugleich ist das aber nicht immer überall ganz gleich intensiv der Fall; es gibt auch ganz offensichtlich Unterschiede zwischen den einzelnen Privatrechtsordnungen und manche Rechtsgebiete sind stärker von heimischen Rechtstraditionen geprägt als andere. Die verschiedenen Wurzeln des geltenden Rechts freizulegen und zu untersuchen, wie sie sich über die Jahrhunderte entwickelt haben bzw. schließlich in der „versteinerten“ Form einer Kodifikation zusammenwirken, finde ich immer wieder faszinierend.
Was ist für Sie das Spannendste an der Tätigkeit als Professorin?
Es gibt so viele interessante Aspekte dieser Tätigkeit, dass es sich kaum sagen lässt, was das „Spannendste“ ist. Die Möglichkeit, sich in selbstgewählte Fragestellungen zu vertiefen, und auch das Teilhaben an einer internationalen Forscher:innengemeinschaft sind sicherlich besonders hervorstechende Vorzüge. Aber auch auf die Wissensvermittlung würde ich nicht verzichten wollen – nachkommenden Generationen die Welt des Rechts zu eröffnen und sie in das juristische Denken einzuführen, ist eine wirklich schöne und erfüllende Aufgabe. Ich freue mich außerdem schon sehr darauf, Nachwuchswissenschaftler:innen betreuen und meinen Zugang zu den Rechtswissenschaften weitergeben zu können.
Welchen Hobbies gehen Sie gerne in Ihrer Freizeit nach?
Viel Freizeit für klassische „Hobbies“ bleibt mir offen gestanden nicht; ich bin neben meiner Tätigkeit als Professorin für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte auch Mutter zweier Töchter, die vier und sieben Jahre alt sind. Glücklicherweise verbinden sich meine Verpflichtungen aber über weite Strecken sehr harmonisch mit meinen Interessen: So wird es Sie wohl wenig überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass ich auch privat gerne lese. Das betrifft antike Autoren ebenso wie modernere Literatur. Die Übergänge zwischen privater und beruflicher Lektüre sind durchaus fließend. Die familiären Pflichten wiederum lassen sich z.B. gut damit verbinden, dass mein Mann und ich immer schon gerne Gäste eingeladen haben; das sind in der aktuellen Lebensphase eben überwiegend befreundete Familien mit Kindern in ähnlichem Alter wie unsere, aber durchaus auch Kolleg:innen. Meine ältere Tochter hat zudem gerade mit Klavierunterricht begonnen und ein bisschen hege ich die Hoffnung, hier auch wieder ein bisschen anzuschließen. Besonders genieße ich es, wenn ich mit meinem Mann in ein Konzert oder die Oper gehen kann, und zum Ausgleich gehe ich auch gerne laufen.
Was haben Sie sich für Ihre Professur an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät vorgenommen?
Ich möchte die kommenden Jahre (die Professur ist befristet) dafür nützen, einerseits mein Fach an der Universität Graz zu stärken und andererseits die Sichtbarkeit der Grazer REWI-Fakultät im Kontext der Forschungen zum Römischen Recht und zur Antiken Rechtsgeschichte auf internationaler Ebene zu gewährleisten, indem ich internationale Tagungen hier veranstalte und als Vertreterin der Universität Graz an auswärtigen internationalen Tagungen aktiv teilnehme bzw. als solche in internationalen Fachzeitschriften und Sammelwerken publiziere.
Ich hoffe auch, in Lehrveranstaltungen aus dem Pflichtprogramm, in welchem an der REWI-Fakultät der Universität Graz das Römische Recht ja neuerdings leider nicht mehr vorgesehen ist, den Studierenden zumindest „Fenster“ zeigen zu können, welche sie später in Vertiefungsveranstaltungen für sich öffnen können, um als Jurist:innen einen breiteren Horizont zu haben und nicht nur „ausgebildet“, sondern „juristisch gebildet“ diese Einrichtung zu verlassen. Natürlich hoffe ich, dass dabei auch der Wunsch entstehen wird, Römisches Recht wieder im Pflichtprogramm zu verankern.
Da ich auch viele Pläne für Forschungsprojekte habe, in welche ich junge Kolleg:innen gerne einbinden möchte, hoffe ich außerdem, dass ich viele Studierende begeistern und für eine Mitarbeit motivieren werde können.