Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ist das rechtlich bindende Instrument zur Wahrung von Minderheitenrechten in Europa. Ursprünglich als Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) diskutiert, besteht das Übereinkommen mangels einer diesbezüglichen Einigung der Mitgliedsstaaten des Europarates nun neben der EMRK. Eine Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, etwa für Staaten- oder Individualbeschwerden, besteht somit freilich nicht – umso essentieller ist der Beratende Ausschuss des Rahmenübereinkommens für dessen Implementierung. Er besteht aus Expert*innen auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes, evaluiert die Umsetzung des Rahmenübereinkommens in den Mitgliedsstaaten und berät das Ministerkomitee des Europarats. Die REWI-Professor*innen Emma Lantschner und Klaus Poier sind derzeit Mitglieder des Ausschusses, Poier für Österreich, Lantschner für Italien. Lantschner ist außerdem Vizepräsidentin des Ausschusses. Es war unserer Universität daher eine besondere Freude, dass der Ausschuss seine Sitzungen in der Woche vom 9. bis zum 13. Oktober in Graz abhielt – zum allerersten Mal außerhalb der Räumlichkeiten des Europarates.
Am 12. Oktober luden die Veranstalter*innen zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit Univ.- Josef Marko, ehemaliger Dekan unserer Fakultät und früheres Mitglied des Ausschusses, Petra Roter, Präsidentin des Ausschusses und Professorin für Internationale Beziehungen an der Universität Ljubljana, Elise Cornu, Direktorin der Division of National Minorities and Minority Languages des Europarats, und Lea Vouk, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien und Angehörige der Kärntner Slowen*innen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Emma Lantschner, Vizerektorin Mireille van Poppel begrüßte Gäste und Publikum.
Josef Marko zeichnete in seinem Beitrag den Weg nach, den das Rahmenübereinkommen in den letzten 25 Jahren durchlief, nämlich von einem strikt auf nationale Minderheiten fokussierten Schutz hin zur Governance von Diversität. Während der Dialog mit Regierungen meist fruchtbar verlaufe, gebe es aber auch immer wieder Versuche, offene Gespräche zu erschweren – wenn beispielsweise im Zusammenhang mit dem Nordirlandkonflikt ein Besuch des Ausschusses bei der chinesischen Minderheit in Belfast forciert werde, und nicht bei den Konfliktparteien. Petra Roter betonte, dass das Rahmenübereinkommen besonders in diesen konfliktgebeutelten Zeiten das richtige Instrument sei, um effektiven Minderheitenschutz zu garantieren, und zwar über die von Staaten immer noch oft ins Feld geführte traditionelle Lesart des Begriffs der nationalen Minderheit hinaus. Leider, so Roter, sei der Begriff der Minderheit in politischen Diskussionen aber scheinbar zu einem abwertenden Terminus verkommen, besonders dort, wo Minderheiten effektiv für ihre Rechte einstehen. Auf die Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Russischen Föderation aus dem Europarat ging Elise Cornu ein. Sie betonte besonders, dass der Versuch der russischen Offiziellen, die Berichte des Komitees zur Rechtfertigung von Angriffen zu missbrauchen, ein Problem darstellte. Die Runde am Podium endete dann mit durchaus kritischen Worten von Lea Vouk, die fehlenden politischen Willen bei der Reform des österreichischen Volksgruppengesetzes und Resignation innerhalb der Volksgruppe, insbesondere bei deren jungen Angehörigen, beklagte. In einer abschließenden Publikumsrunde kamen noch weitere Angehörige des Ausschusses und der Fakultät zu Wort. Aus Sicht der Universität als besonders erfreulich festgehalten werden kann hier ein Statement eines Experten, dass der Ausschuss derart gute Voraussetzungen für seine Beratungen vorgefunden habe, dass man die Sitzungen nirgendwo anders mehr abhalten wolle.