REWI: Frau Warmuth, wir freuen uns sehr, Sie bei uns an der REWI Graz als Land Steiermark Fellow begrüßen zu dürfen! Erzählen Sie uns doch bitte kurz von Ihren bisherigen Karrierestationen.
Danke für das herzliche Willkommen! Ich freue mich sehr, dass ich als Land Steiermark Fellow hier an der REWI Graz sein darf. Ich bin Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover und arbeite dort in einem interdisziplinären Projekt zu Bias und Diskriminierung durch Big Data und Algorithmen. Studiert habe ich in Hamburg, Münster und in Buenos Aires. Nach dem Studium war ich zunächst in Hamburg am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht als Redaktionsassistentin für RabelsZ. Seit 2014 bin ich an der Universität Hannover tätig, zunächst begleitend zu meinem juristischen Referendariat und dann als Doktorandin bei Prof. Dr. Christian Heinze, LL.M. (Cambridge) (inzwischen an der Universität Heidelberg).
REWI: Welche Möglichkeiten bietet Ihnen das Land Steiermark Fellowship?
Es ist eine große Ehre für mich, dass ich mit dem Land Steiermark Fellowship hier an der Universität Graz forschen darf. Darüber freue ich mich sehr. Das Fellowship bietet mir eine ausgezeichnete Möglichkeit, um in einem modernen Forschungsumfeld in den Austausch mit exzellenten Wissenschaftlern zu kommen, von ihnen zu lernen und inhaltliche und methodische Anregungen zu bekommen. Ich bin mir sicher, dass meine Forschung von diesem Austausch profitieren wird. Zugleich hoffe ich, dass ich auch einen Beitrag zum Angebot und Forschungsfeld der hiesigen Fakultät leisten kann. Hier an der Uni Graz kann ich mich während meines Fellowships ganz auf mein aktuelles Publikationsprojekt konzentrieren und gleichzeitig am Leben einer spannenden, innovativen Fakultät teilhaben. Die Arbeitsbedingungen hier sind wirklich ideal. So leicht wie mit dem Fellowship hätte ich es sonst sicherlich nicht gehabt, die Uni Graz und insbesondere die REWI-Fakultät kennenzulernen.
REWI: In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich mit künstlicher Intelligenz in der richterlichen Entscheidungsfindung. Was ist das Neue bzw. Besondere an Ihrem Forschungsthema?
Künstliche Intelligenz ist ja gesellschaftlich seit einiger Zeit ein spannendes, neues Thema. Das wird natürlich auch im Recht interessant und sollte meines Erachtens frühzeitig rechtlich begleitet werden. Daher war ich, als ich von der Einrichtung des Profilbildenden Bereichs Smart Regulation an der Universität Graz gehört hatte, sehr begeistert.
Konkret in der richterlichen Entscheidungsfindung bietet die Anwendung Künstlicher Intelligenz viele sehr spannende Möglichkeiten. Daraus ergeben sich rechtliche Fragen, die wir uns bisher noch nicht gestellt haben, weil es die entsprechenden Anwendungen nicht gab. Ein großer Vorteil von Künstlicher Intelligenz bei Gericht könnte darin liegen, kognitive Verzerrungen zu vermeiden, die üblicherweise bei menschlichen Richtern wirken können. In der Folge könnten Urteile hoffentlich besser, da „objektiver“ werden. Aber weil auch Algorithmen nachweislich verzerrte Entscheidungen produzieren können, da die eingespeisten Daten an einem „Bias“ leiden, ist die Umsetzung gar nicht so leicht. Im Zusammenhang damit ist aus rechtlicher Sicht beispielsweise auch die Frage der Transparenz von Funktionsweise und Weiterentwicklung des jeweiligen Algorithmus zu diskutieren. Insgesamt gibt es dadurch, dass der technische Entwicklungsprozess zu Künstlicher Intelligenz ständig voranschreitet, zugleich aber die ganz großen Schritte noch ausstehen, aus rechtlicher Sicht noch viel ungeregeltes Gebiet. Das ist sehr reizvoll, und es ist eine Chance, die wir nutzen können. Und die Zukunft ist näher als wir denken: In Estland wird ein automatisierter Rechtsfindungsprozess schon für den Bereich der geringfügigen Forderungen vorbereitet. Und Österreich ist in Sachen Digitalisierung der Justiz gewiss ein Vorreiter in Europa; der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird durch die passende Infrastruktur erst ermöglicht.
REWI: Sie studieren auch Psychologie. Welche Vorteile ergeben sich aus einer Kombination der beiden Studien?
Psychologie als Verhaltenswissenschaft untersucht menschliches Verhalten – und die Rechtswissenschaft beurteilt menschliches Verhalten. Wegen dieser inhaltlichen Nähe halte ich es für sinnvoll, dass beide Disziplinen sich einander öffnen und ihre jeweiligen Thesen, Forschungsergebnisse und Diskussionspunkte miteinander austauschen und diskutieren. Dadurch könnte einerseits die Psychologie ihre rechtsbezogene Forschung praxisspezifischer ausrichten, und zugleich könnten wir uns in der Rechtswissenschaft fragen, welche Schlussfolgerungen wir aus bestimmten kognitions- und sozialpsychologischen Befunden ziehen wollen. Beispielsweise beschäftigt sich mein Dissertationsvorhaben damit, wie die psychologische Studienlage zur richterlichen Entscheidungsfindung aus zivilprozessualer Sicht nutzbar gemacht werden kann.
Auch für mein Forschungsprojekt im Rahmen des Fellowships möchte ich wieder Recht und Psychologie miteinander kombinieren. Außerdem bin ich sehr gespannt auf die Gespräche mit den Mitgliedern des Profilbildenden Bereichs Smart Regulation, die ja neben meinen beiden Fächern noch aus weiteren Fachbereichen, wie Philosophie und Wirtschaftswissenschaft, stammen. Interdisziplinäres Arbeiten im Allgemeinen kann neue Perspektiven bieten und dazu beitragen, dass man sein eigenes Fach vielleicht anders begreift oder nach anderen Lösungen für hergebrachte Probleme sucht. Das finde ich sehr spannend.
REWI: Last but not least interessiert uns sehr, worauf Sie sich in Graz noch freuen!
Ich bin hier an der Universität schon sehr, sehr herzlich aufgenommen worden. Also freue ich mich darauf, in den nächsten Wochen und dann wieder im Wintersemester am Fakultätsleben teilzunehmen. In meiner Freizeit bin ich gerne in der Natur, ich gehe gerne wandern und Radfahren. Dafür sind Graz und Umgebung ja der ideale Ort. Außerdem bin ich großer Fan der steirischen Küche!