Gemeinsam mit dem Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung der WKO Steiermark setzte sich unsere Fakultät in der jüngsten Ausgabe von „Recht und Wirtschaft im Dialog“ das Ziel, Systeme Künstlicher Intelligenz, ihren Gebrauch in der Wirtschaft und bei Gericht und ihre rechtlichen Implikationen dem interessierten Publikum ganz konkret näherzubringen. Die drei geladenen Expert*innen brachten bei „KI, die österreichische Wirtschaft, und das Recht“ zu diesem Zweck ihre jeweiligen Perspektiven ein.
Den Anfang machte nach Begrüßung und Einbegleitung durch Dekanin Gabriele Schmölzer und WKO-Institutsleiter Ewald Verhounig REWI-Uni-Graz-Verfassungsrechtlerin Elisabeth Paar (Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft). Sie ging unter anderem kritisch auf die Annahme ein, dass eine menschliche Kontrolle der KI-Entscheidungsfindung bzw. -vorbereitung („human in the loop“) bei Gericht grundsätzlich möglich und auch ausreichend sei. Übermäßiges Vertrauen in KI-Systeme, noch dazu bei gleichzeitiger Projektion menschlicher Denkweisen auf dieselbe, führe demgegenüber vielmehr zu einer faktischen Delegation, die vor dem Hintergrund, dass „KI als Richter“ sowohl technisch, als auch verfassungsrechtlich nicht möglich sei, nicht wünschenswert erscheinen könne. Um eine solche Delegation zu vermeiden, müsse man sich zunächst über die grundlegend unterschiedliche Herangehensweise von KI-Systemen und deren Grenzen klar werden. Die Unterteilung juristischer Arbeit in Abschnitte, in denen die Nutzung von KI gefahrlos möglich ist, und in solche, in welchen sie gänzlich verboten sein sollte, könne als nächster Schritt eine Arbeitsteilung Mensch-KI sinnvoll ermöglichen.
Der Begriff der Delegation begleitete die Zuhörenden auch im zweiten Fachvortrag. Lukas Soritz (Institut für Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht) ging darauf ein, inwiefern den Vorstand einer Aktiengesellschaft eine Haftung für Entscheidungen von KI-Systemen treffen kann. Es könne aufgrund der faktischen Gegebenheiten – wie auch bei der klassischen Delegation sei die Anweisung an eine KI notwendigerweise inhaltlich unvollständig – angenommen werden, dass zwischen Vorstand und KI-System eine Prinzipal-Agenten-Beziehung entstehe. Zwar läge zwischen Vorstand und KI aufgrund der fehlenden Rechtspersönlichkeit kein (unvollständiger) Vertrag vor, der Programmcode des KI-Systems könne aber als eine solche unvollständige Vereinbarung gesehen werden. Daraus leitete Soritz die Möglichkeit einer sinngemäßen Anwendung der Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungspflicht des Vorstands ab. Hier seien jedoch eine Vielzahl von Besonderheiten zu beachten, insbesondere der Black-Box-Charakter der algorithmischen Entscheidungsfindung.
Philipp Nöhrer, bei Leftshift One als Legal und Compliance Officer tätig, legte in seinem Vortag dar, welche Rechtsvorschriften es bei der Nutzung von KI-Systemen im Unternehmen zu beachten gilt. So seien Normen des allgemeinen Zivilrechts, über den Datenschutz und das geistige Eigentum ebenso in unternehmerische Überlegungen mit einzubeziehen wie KI-spezifische Vorschriften der Europäischen Union. Es empfehle sich, Verträge mit Anbietenden genau zu prüfen, klare interne Vorschriften zur KI-Nutzung zu erlassen (AI Use Policy) und Schulungs- und Awareness-Maßnahmen zu ergreifen. Am Ende, so Nöhrer, müsse die Kosten-Nutzen-Rechnung für das Unternehmen aufgehen. Eine solche Berechnung sei momentan besonders komplex: Welche konkreten Schritte in Unternehmen aufgrund der schrittweise in Kraft tretenden Vorschriften des AI Acts der Europäischen Union ab 2. Februar 2025 notwendig sein werden, sei aus der Verordnung selbst noch nicht abzuleiten. Wie die dort von KI einsetzenden und entwickelnden Unternehmen verlangte KI-Kompetenz nachzuweisen sei, müsse im Detail erst geklärt werden.
Diese Ausführungen, die Diversität unter den Besucher*innen aus Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Academia und insbesondere die an die Vorträge anschließende, durchaus launig geführte Publikumsdiskussion zeigten einmal mehr, dass die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und deren rechtliche Implikationen in Forschung und Praxis ein heißes Thema sind und bleiben werden. Das KF Erde, das neue Lokal am RESOWI, bot für die Veranstaltung eine wunderbare Atmosphäre – eine Premiere, die weitere spannende Abendveranstaltungen inklusive anschließendem Austausch with a view verspricht.
Der nächste Termin von „Recht und Wirtschaft im Dialog“ findet im Sommersemester 2025 statt. Wir halten Sie auf dem Laufenden!