REWI Uni Graz: Hatten Sie schon während Ihres Studiums vor Augen, beruflich etwas in Richtung Gleichbehandlung machen zu wollen?
Daniela Grabovac: Zu Beginn meiner Studienzeit wollte ich später unbedingt etwas im Bereich Menschenrechte machen und das mit einer Tätigkeit auf internationaler Ebene verbinden. So engagierte ich mich neben dem Studium etwa im Referat für ausländische Studierende der ÖH oder bewarb mich für ein Praktikum bei Helping Hands in Wien, eine NGO, die Fremden bei der Integration in Österreich hilft. Aus der Zusage, bei dieser NGO in der Fremdenrechtsberatung tätig werden zu können, wurde jedoch kurzfristig nichts – eine Fügung, die meinen Karriereweg in die heutige Richtung lenken sollte. Man bot mir dafür an, in der Anti-Rassismus Hotline von Helping Hands mitzuarbeiten. Ohne vorherige Kenntnisse nahm ich die Challenge an – ich hatte mir zudem bereits eine Studierendenunterkunft in Wien besorgt. Durch einen wirklich spannenden Fall entstand meine Begeisterung für die Materie. Helping Hands fragte mich dann, ob ich in Graz eine Anti-Rassismus Hotline aufbauen wollte. Ich dachte, das geht sich auch neben dem Studium aus, und sagte zu. Allerdings wurde das Studium dadurch zur Nebensache, der Aufbau der Hotline zur Hauptsache.
Die Anti-Rassismus Hotline leitete ich schließlich bis 2011 und führte bei dieser Rechtsberatungen durch, was mich allgemein in diesem Bereich bekannt machte. Besonders bekannt wurde ich durch Lokaltests, bei denen wir im Rahmen von Tests versuchten, die Lokale mit Personen schwarzer Hautfarbe zu betreten.
Daneben war ich von 2007 bis 2012 Mitglied der Menschenrechtskommission im Innenministerium sowie von 2012 bis 2015 der Kommission bei der Volksanwaltschaft. Hierbei stand die Überprüfung von menschenrechtlichen Standards in Heimen, in denen Menschen die Freiheit entzogen ist (wie z.B. Justizanstalten, Heime für Menschen mit Behinderungen, Heime für Kinder, Alten und Pflegeheimen….) im Vordergrund, zudem die Überprüfung der Ausübung von behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Abschiebungen, Demonstrationen etc.).
Zu letzterem Punkt wird aktuell der Aufbau einer Meldestelle zu Beschwerden gegen die Polizei diskutiert. Die damalige Kommission leistete hierzu Vorarbeiten, traf Empfehlungen und beleuchtete etwa die Fälle Omofuma (Erstickungstod bei der Abschiebung im Flugzeug) oder Jassey (Schläge, Tritte, Fesselung in einer Lagerhalle durch die Polizei) näher.
Wie ist Ihr Karriereweg dann zur Antidiskriminierungsstelle gegangen?
Seitens des Landes Steiermark und der Stadt Graz gab es Bestrebungen, eine Anlauf- und Beschwerdestelle einzurichten, die in Diskriminierungsfällen berät. Man trat an mich heran, ob ich diese aufbauen könnte, mit den Erfahrungen, die ich aufgrund der Tätigkeit in der Anti-Rassismus Hotline sammelte – damals gab es noch nicht so viele, die eine Expertise auf diesem Gebiet vorweisen konnten.
Die Antidiskriminierungsstelle ist in der Zwischenzeit um Aufgaben gewachsen. Es kam 2017/2018 die Extremismuspräventionsstelle dazu, die sich mit extremistischen Strömungen, z.B. Rechtsextremis/Linksextremismus, Antisemitismus, Islamismus/religiösem Fundamentalismus, beschäftigt. Daneben werden wir im Rahmen der BanHate-App tätig. Diese App ermöglicht es, anonym Hasspostings oder Hate Crimes, d.h. Hassverbrechen, zu melden. Diese Meldungen werden von uns angesehen, strafrechtlich beurteilt und gegebenenfalls an die Behörden weitergeleitet bzw. entsprechende Sachverhalte angezeigt.
Persönlich freut es mich sehr, dass ich über verschiedene Projekte im Internationalen ebenso integriert bin und mit internationalen Organisationen, EU-Kommission und Stellen in anderen Ländern kooperiere. Es schließt sich somit der Kreis dorthin, wo ich beruflich ursprünglich hingehen wollte. Ich finde es enorm bereichernd, sich Beispiele in anderen Ländern anschauen zu können, um selbst dazuzulernen und zu erfahren, wie woanders an bestimmte Themen herangegangen wird. Über meine Arbeit hat es sich auch ergeben, dass ich als Menschenrechtstrainerin bei Frontex tätig war.
Beobachteten Sie über die Jahre Änderungen der Bereiche, in denen Beschwerden aufgrund von Diskriminierung an Sie herangetragen wurden? Wozu häufen sich momentan Anfragen?
Immer schon ein Thema waren ethnische Diskriminierungen. Überrascht hat mich ein Phänomen, nämlich dass 2004 bis 2006 Deutsche besonders stark Diskriminierungen ausgesetzt waren. In Deutschland, vor allem im Osten, war die wirtschaftliche Lage damals angespannt und viele kamen nach Österreich. Bei uns wurde dann gesagt, das sind zu viele, die nehmen uns die Arbeits- oder (Medizin-)Studienplätze weg.
Die „Diskriminierungspalette“ hat sich über die Jahre vervielfacht. So um 2013 kam eine Altersdiskriminierung im Banken- und Versicherungssektor stark zum Vorschein. Die Diskriminierungsfälle aufgrund von sexueller Orientierung – nicht allein bezogen auf Homo- oder Bisexualität, sondern in den vielseitigen Facetten von LGBTQ+ – haben sich über die Jahre ebenfalls erhöht. Momentan neu ist, dass in sozialen Netzwerken Klimaaktivist_innen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Auch verzeichnen wir immer häufiger Meldungen, hinter denen der Körperkult steckt, Schlagwort Bodyshaming.
Man muss aber auch die Verbesserungen festhalten. Vor 20 Jahren hielt ich noch Vorträge, was „Diskriminierung“ eigentlich heißt und umfasst. Man merkt heute, dass das Thema allgemein viel stärker ins Bewusstsein vorgedrungen ist. Nur mehr ganz vereinzelt gibt es z.B. offene Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe, ein Bereich, der zu Beginn meiner Tätigkeit den stärksten Umfang hatte.
Auf welche Fähigkeiten kommt es in Ihrem Berufsalltag besonders an?
Analytisches Denken, das man im Jus-Studium wirklich gut mitbekommt, vernetztes Denken und, was mich sehr geprägt hat, im Jus-Studium meiner Meinung nach allerdings zu kurz kommt, über den Tellerrand hinausblicken, das Drumherum anschauen und gesellschaftspolitische Themen in Überlegungen einfließen lassen: Wodurch entsteht etwas, was braucht es dazu, was passierte in der Geschichte usw. Das hilft Hintergründe zu erfassen und zu verstehen.
Ertappen Sie sich privat ab und an auch selbst einmal dabei, etwas doch nicht ganz gleich zu behandeln?
Ja. Man ist nicht perfekt. Wichtig ist, darüber reflektieren zu können, und das Bewusstsein, dass man selbst nicht frei von Fehlern ist.
Wenn Sie an Ihre Studienzeit zurückdenken, was fällt Ihnen spontan ein?
Die hängenden Steine in RESOWI-Zentrum. Ich litt immer sehr unter Prüfungsangst, insbesondere vor den großen Prüfungen. Um mich abzulenken, schaute ich beim Warten vor dem Hörsaal die Steine an und dachte über deren Sinn nach.
Gleich fallen mir auch meine Mitarbeit bei der ÖH und die Erfahrungen ein, die ich dabei sammeln durfte: das Organisieren von Veranstaltungen, Beratungsgespräche, die Arbeit im Team… – das war ein toller Erfahrungsschatz für später.
Wodurch fiel Ihre Studienwahl auf Jus?
Als Kind schaute ich sehr gerne die Fernsehserie L.A. Law, in der mir die Anwältin besonders imponierte und sozusagen meinen Berufswunsch prägte. Zum andern beschäftigten mich die Kriege am Balkan in den 1990er-Jahren auch familiär schwer. Dadurch kam ich früh mit Geschehnissen in Kriegsgebieten, Menschenrechtsverletzungen usw. in Kontakt. So etwas darf in Zukunft nicht mehr geschehen, dachte ich mir. Für mich war klar, dass ich beruflich dafür in den internationalen Bereich gehen möchte, um an der Vermeidung von solchen Geschehnissen mitarbeiten zu können. So fiel meine Studienwahl auf Jus und ich würde Jus jederzeit wieder machen.
Welchen Tipp würden Sie Jus-Studierenden mit auf den Weg geben?
Auch wenn die Stoffmengen bei manchen Prüfungen auf den ersten Blick abschrecken und immens ausschauen: nie denken, dass man das nicht schafft, es ist bewältigbar. Im Jus-Studium bekommt man ein Handwerkszeug mit auf den Weg, mit dem man immer etwas anfangen kann. Und wichtig ist, sich neben dem Studium etwas umzuschauen, um Erfahrungen zu sammeln. Und man sollte unbedingt das machen, das man gerne tut, weil darin ist man dann auch wirklich gut.
Wobei trifft man Sie in Ihrer Freizeit gerne an?
Ich bin eine begeisterte Volleyballspielerin. Mit meinen Kindern verbringe ich auch gerne und viel Zeit auf Spielplätzen.