REWI Uni Graz: Welchen Themen widmen Sie sich momentan mit besonderem Augenmerk in Ihrer Forschung?
Sascha Ferz: Im Fokus meiner Arbeit steht die außergerichtliche Streitbeilegung. Hier tut sich grad einiges, dem es sich lohnt, nachzugehen. Besonders spannend dabei ist, dass die diesbezüglichen Fragen, auch nicht national beschränkt sind, sondern weit darüber hinausreichen. Ebenso sind davon die unterschiedlichsten Rechtsbereiche betroffen. Zwei möchte ich gerne herausgreifen.
Auf internationaler Ebene betrifft dies die Anerkennung und Implementierung der Singapore Convention on Mediation, womit eine Grundlage geschaffen wird, Mediationsergebnisse von grenzüberschreitenden Wirtschaftskonflikten vollstreckbar zu machen. Gerade aus der bereits sehr feingliedrig geregelten Mediationsperspektive der EU betrachtet, erscheint dieses Angebot ein nicht besonders attraktives zu sein.
National finden Diskussionen rund um die Einführung der noch im Projektstatus befindlichen, von den Prozessrichter:innen getrennten Funktion der Einigungsrichter:innen in der Zivilgerichtsbarkeit statt, die einem mediativen Ansatz in der Vergleichsfindung vor Gericht im Wege der Vermittlung folgt. Interessant erscheint zudem, dass eine solche Idee im Zusammenhang mit Überlegungen zur Streitbeilegungsfunktion von Richter:innen innerhalb der Verwaltungsgerichte einhergeht – Stichwort Prozessvergleich.
Sind Sie in diesem Zusammenhang schon auf neue Aspekte bzw. Antworten auf diesbezügliche Forschungsfragen gestoßen?
Bezugnehmend auf die Singapore Convention lässt sich festhalten, dass diese bislang zwar fast sechzig Staaten unterzeichnet, aber nur elf auch ratifiziert bzw. umgesetzt haben. Es ist deutlich geworden, dass die geringe Zahl an „Umsetzer:innen“ auf eine Mehrzahl an Gründen zurückzuführen ist. So ist die Formulierung an manchen Stellen des Übereinkommens sehr vage gehalten. Es fehlen etwa klare Definitionen und einheitliche Standards. Dadurch mangelt es letztlich an Vertrauen in die legistische Umsetzung, die außerdem in unterschiedlichen Rechtskreisen zur Geltung kommen muss. Besonders schwer scheinen sich die EU und deren Mitgliedsstaaten zu tun. Ein vordergründiger Kompetenzstreit hemmt derzeit jede Initiative. Und letztlich haben sich die großen Hoffnungen in der Community, ein solches Regelungswerk würde die Aufmerksamkeit von nationalen Gesetzgebern, Unternehmen und Anwält:innen weltweit auf die Mediation in Handelsstreitigkeiten lenken, nicht bestätigen lassen. Selbst Singapur, Namensgeber und selbsterklärter Mediationshotspot, muss weiterhin für seinen Marktplatz als ADR-Plattform im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum die Werbetrommel rühren.
Die angedachte Ausweitung des Tätigkeitsfeldes der Richter:innen hin zu Konfliktmanager:innen stößt nicht überall auf Zustimmung. Von Verwässerung der gerichtlichen Aufgaben und der Verunsicherung der Parteien ist ebenso die Rede wie vom An-sich-Reißen der Mediation. Die Überzeugung und die Akzeptanz für ein solches Unterfangen fehlen zweifelsohne noch. Diese sollen im besten Fall auf Grundlage der Ergebnisse einer empirischen Studie sowie daran anschließend durch die Schaffung einer adäquaten rechtlichen Grundlage erreicht werden. Eine behutsame Mindestregelung, die die juristische Tätigkeit (gerichtliches Vorgehen, Geschäftsverteilung) absichert und die Parteien schützt (Vertraulichkeit, Kostenklarheit), wird wohl notwendig sein.
Sie sind vor Kurzem von einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt an der University of Queensland in Australien, die in verschiedenen Rankings weltweit ganz weit vorne aufscheint, zurückgekommen. Wie ist das Forschen Down Under?
Brisbane ist eine der großen Städte Australiens, schnell wachsend und modern. So präsentiert sich auch die größte Universität Queenslands. Der grüne Hauptcampus St. Lucia wird kontinuierlich und großzügig ausgebaut. Mitten in diesem mondänen Ensemble befindet sich auch das altehrwürdige Forgan Smith Building und damit die Heimat der School of Law. Diese gilt als renommiert, forschungsstark, kompakt und in Queensland als die Nummer 1 für eine hand-picked Anzahl an Studierenden.
Covid hat wie hierzulande im akademischen Bereich Spuren hinterlassen. Erst im Laufe von 2022 hat sich das Meiste normalisiert. Aus Online-Lehrveranstaltungen wurden wieder solche in Präsenz. Homeoffice sorgte für leere Räume, die sich erst zögerlich füllen bzw. andere Routinen einspielen lassen, und die geschlossenen Landesgrenzen unterbanden den Lehrenden- und Forschendenaustausch. Dieser nimmt aber mittlerweile mächtig an Fahrt auf.
Die beobachtbaren Forschungsinitiativen und -bemühungen sind uns übrigens nicht unbekannt. Der Fokus geht klar in Richtung Interdisziplinarität und Clusterbildung.
Ihr persönliches Highlight des Aufenthalts?
Abseits der Arbeit? Das war wohl der Weihnachtsbaum mitten im Sommer als Sinnbild für eine verdrehte Perspektive!
Was steht als Nächstes an?
Es steht das Vollwirksamwerden des Digital Services Acts bevor, der zur Konfliktarbeit auf ein internes Beschwerdesystem und schließlich auf die außergerichtliche Streitbeilegung setzt. Ein Blick auf die Maßnahmen wird ein fruchtbarer sein.
Und selbst auf dem Gebiet der Verhandlung als sozialen Prozess setzen wir neue Forschungsimpulse, indem wir uns mit dem Einfluss der Umwelt – wie zum Beispiel Licht und Beleuchtung, Raumgestaltung etc. – auf das Verhandlungsverhalten beschäftigen. Die Frage ist, inwieweit Licht die Affekte beeinflussen kann. Erste Studienergebnisse werden übrigens am Nachmittag des REWI-Fakultätstags gemeinsam mit dem Zentrum für Soziale Kompetenz präsentiert.