Auf der Suche nach Antworten auf die Klimakrise stellen sich nicht allein ökologische und technische Fragen, sondern mit ihnen kommen auch solche nach den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die ebenfalls zu meistern sind. In diesem Sinne arbeitet das Horizon2020-Projekt Projekt „EC² – Energy Citizenship and Energy Communities for a Clean Energy Transition“ seit 2021 an der Schnittstelle von juristischer, psychologischer und ökonomischer Forschung, und untersucht die Frage, wie eine nachhaltige und sozial gerechte Transformation des Energiesektors bewerkstelligt werden kann.
Das Projekt wird an der REWI-Fakultät vom Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht und vom Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft gemeinsam mit dem Fachbereich Sozialpsychologie der Uni Graz und multiprofessionellen Partner*innen aus Deutschland, Polen, Italien, Spanien und den Niederlanden getragen. Das Grazer Law-Team sind die Forscher*innen Prof.in Brigitta Lurger, Prof.in Maria Bertel, Doktorandin Celin Gutschi, Post-Doc Negar Ghezel Sefloo sowie Projektmanager Markus Mogg. Die Diversität an Akteur*innen im gesamten Projekt – Umweltpsycholog*innen, Ökonom*innen, NGOs, Ökodörfer, Energiegemeinschaften - liefert einen wichtigen ganzheitlichen Blick auf Fragestellungen, die oft hinter der technischen Machbarkeit unsichtbar sind: Welche sind die rechtlichen, ökonomischen und psychologischen Faktoren, die die Transformation behindern bzw. diese fördern und wie können wir diese Faktoren als Gesellschaft noch stärker beeinflussen? Wie kann insbesondere das gesetzliche Konzept der „Energiegemeinschaften“ helfen, den Wandel in der Energieversorgung voranzutreiben?
Das Law-Team der Universität Graz führte eine umfassende rechtsvergleichende Studie zu verschiedenen juristischen Fragen durch: u. a. zu den rechtlichen Formen, auf deren Basis gemeinschaftlich Strom erzeugt werden kann, zu den unterschiedlichen Umsetzungen der EU-Energie-Richtlinien, und den öffentlich-rechtlichen und wohnrechtlichen Rahmenbedingungen von Energiegemeinschaften in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Gemeinsam mit den Kolleg*innen an der Wirtschaftsuniversität in Wroclaw wurde ein Katalog von existierenden rechtlichen und ökonomischen Barrieren und verschiedenen Lösungsmodellen zu deren Überwindung erarbeitet. So empfehlen sich Musterverträge und -satzungen für Vereine, die Erleichterung des Zugangs für Mieter*innen und Wohnungseigentümer*innen in Mehrparteienhäusern, sowie Online-Portale mit umfassenden Informationen und Tools, die auf lange Sicht in einen „One-Stop-Shop“ verwandelt und aufgewertet werden könnten. Dieser würde es Interessierten ermöglichen, ohne großen Aufwand und nur von einer Stelle aus selbst eine Energiegemeinschaft zu gründen, einer solchen beizutreten und/oder diese in den weiteren Jahren erfolgreich zu führen (siehe auch Deliverable 3.3 des Projekts). Einige dieser Lösungsmodelle werden derzeit vom Psychologie-Team der Universität Graz zusammen mit dem Law-Team in empirischen Studien getestet und in Anhängigkeit von den Ergebnissen weiterentwickelt.
Die Projektergebnisse werden zahlreiche wissenschaftliche Publikationen sowie rechtspolitische Empfehlungen an die Gesetzgeber*innen der EU und der Mitgliedstaaten sein. Die bisherigen Ergebnisse konnten bei wissenschaftlichen Veranstaltungen (z. B. bei der STS Conference im Mai 2023) präsentiert und in internationalen Fachzeitschriften publiziert werden (siehe Link 1 und Link 2). Darüber hinaus stehen die Ergebnisse in Form von Policy Briefs für alle Interessierten bereit, die sich insbesondere im Rahmen einer Energy Academy am Projekt beteiligen können (Policy Brief 1: Energy Citizenship: A missing piece to the energy transition puzzle & Policy Brief 2: How to mainstream energy citizenship in EU laws & tools).
Bei einem Projektmeeting in Torri Superiore an der französisch-italienischen Grenze lernten die Grazer Law- und Sozialpsychologie-Teams die Praxis in einem von einer kleinen Gruppe revitalisierten mittelalterlichen Dorf zwischen Meetings und Worksessions kennen. Mittels Sonnenenergie versorgt sich die Dorfgemeinschaft mit Strom und Warmwasser. Aus dieser Erfahrung heraus engagiert sie sich gemeinsam mit anderen italienischen EC² Mitgliedern dafür, die Idee gemeinschaftlicher Energieproduktion in Italien zu etablieren. Dies wird unterstützt durch die Forschungsergebnisse des EC² Law-Teams und des Sozialpsychologie-Teams an der Uni Graz und der anderen Projektpartner*innen.