Der Politikwissenschaftler Jan Pospisil (ASPR Schlaining) sprach am RESOWI-Zentrum zur Situation der jungen und instabilen Republik Südsudan, die gerade ihr 10-jähriges Bestehen gefeiert hat. Zur Veranstaltung luden der Fachbereich Global Governance (Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen) und der Conflict – Peace – Democracy Cluster. Dabei stellte der gerade von einem monatelangen Südsudan-Aufenthalt zurück gekehrte Pospisil sein erst kürzlich im Transcript-Verlag erschienenes Buch zu den Konfliktlandschaften des Südsudan vor.
Nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg erlangt die Republik Südsudan am 9. Juli 2011 ihre Unabhängigkeit. Die Hoffnungen auf Frieden sollten sich bald erschöpfen. Trotz aller Bemühungen um einen friedlichen Staatsaufbau nimmt die erste Dekade der Eigenstaatlichkeit einen gewaltsamen Verlauf: Im Dezember 2013 schlittert der Südsudan in einen blutig geführten Bürgerkrieg, der sich weniger als einheitlicher Konflikt mit klar definierbaren Parteien beschreiben lässt, sondern vielmehr ein Amalgam komplex verschachtelter Konfliktlandschaften repräsentiert. Dabei kämpfen unzählige lokale Milizen um Ressourcen wie Vieh und Erdöl, aber auch um Einfluss in der Regierung, die aus der ehemals größten Miliz des Südsudan hervorgegangen ist.
„Die Situation lässt sich beschreiben als politischer Aushandlungsprozess zwischen bewaffneten Akteuren, wobei sich keine längerfristige Einigung abzeichnet und somit auch keine stabile staatliche Institutionalisierung“, so Pospisil. Dabei spielen internationale Akteure wie die USA, die EU oder China kaum eine Rolle. Der Politikwissenschaftler erhebt vor Ort in Gesprächen mit der Bevölkerung so genannte Everyday Peace Indicators, um zu eruieren, wie es um die Wahrnehmung des Friedens bzw. des Krieges in der Bevölkerung steht. Gleichzeitig ist Pospisil in den nordsudanesischen Friedensprozess involviert, in dem der Südsudan paradoxerweise die Rolle des Mediators spielt.
In einer besonders prekären Situation etwa befindet sich die UNO im Südsudan, die sich vor allem um die Einrichtung und Erhaltung von Lagern zum Schutz der Zivilbevölkerung im Land verdient gemacht hat. Solche Lager bieten Binnenflüchtlingen Schutz und Zuflucht vor der alltäglichen Gewalt und den Entbehrungen eines Krieges. Auf der einen Seite sind diese Camps überlebensnotwendig für viele Menschen, auf der anderen Seite droht eine Institutionalisierung dieser humanitären Einrichtungen, die dem Staatsbildungsprozess entgegensteht. Dennoch und trotz aller Widrigkeiten scheint sich aber dennoch eine südsudanesische Identität gebildet zu haben, so Pospisil.
Drei Jahre sind seit dem letzten auf nationaler und lokaler Ebene verhandelten Friedensvertrag vergangen, doch die Hoffnungen auf eine tatsächliche Stabilisierung der Situation sind rar gesät – lokal, national und international. Somit hat die junge Republik auch zehn Jahre nach ihrer Unabhängigkeit keinen wirklichen Weg aus dem bewaffneten Konflikt gefunden.
Jan Pospisil ist Forschungsdirektor des ASPR und Privatdozent für Politikwissenschaften an der Universität Wien. Jan ist Co-Investigator des Political Settlements Research Programme an der University of Edinburgh. Seine Forschung konzentriert sich auf Friedensprozesse, Political Settlements, humanitäre Verhandlungen, Resilienz, und sudanesische/ südsudanesische Politik. Er publiziert regelmäßig in begutachteten internationalen Fachzeitschriften. Seine jüngste Monographie, „Peace in Political Unsettlement“, wurde 2019 bei Palgrave Macmillan veröffentlicht.
Er ist Affiliate des Fachbereichs Global Governance des Instituts für Rechtswissenschaftliche Grundlagen.