(Interview geführt am 10. April 2020)
REWI: Am 10. März hieß es von heute auf morgen: Lehrveranstaltungen finden nunmehr in Online-Formaten statt. Und am 15. März wurde der gesamte Universitätsbetrieb auf Homeoffice umgestellt. Wie turbulent ist es da bei Ihnen in Ihrem Zuständigkeitsbereich als Studiendekanin zugegangen?
Gabriele Schmölzer: Im ersten Schritt war es wichtig, alle Lehrenden darin zu bestärken, sich möglichst rasch der geänderten Umstände anzunehmen und sich zu überlegen, wie sie die im Rahmen ihrer Lehrfreiheit gewählten Unterrichtskonzepte nun den neuen Gegebenheiten – ursprünglich ausgerichtet auf die Zeit bis zu den lehrveranstaltungsfreien Osterferien – anpassen können. Das war und ist nicht zuletzt auch eine Frage der seitens der Universität verfügbaren und zulässigen Infrastruktur. Die individuelle Unterstützung seitens des Zentrums für digitales Lehren und Lernen sowie der uniIT hat aber auf Anhieb sehr gut funktioniert: Private Laptops mussten um- und aufgerüstet, Leihgeräte zur Verfügung gestellt und Hilfestellung beim Anfertigen von Bild- und Tonmaterial geleistet werden - das alles dann sehr schnell und nach wenigen Tagen bereits in der Situation „huis clos“ (Anm REWI: „hinter verschlossenen Türen“. Die Studiendekanin stellt auf Nachfrage in Abrede, auf das gleichnamige Stück des französischen Dramatikers Jean-Paul Sartre anzuspielen). Einige Lehrveranstaltungen konnten sogar nahtlos online fortgesetzt werden; und das nicht nur solche, bei denen zB bereits die Lernplattform Moodle zur Unterstützung der Präsenzlehre Verwendung fand. Dringende studienabschließende Prüfungen im Diplom- und Doktoratsstudium wurden ohne wesentlichen Zeitverzug abgehalten, sodass in diesen letzten Wochen zwanzig Studierende ihr Diplom- und zehn ihr Doktoratsstudium abschließen konnten.
REWI: Zwischenfrage: Haben Sie bereits erstes Feedback aus dem Kreis der Lehrenden erhalten?
Gabriele Schmölzer: Was man naturgemäß hört, sind zum einen die schon angesprochenen infrastrukturellen Implikationen, zum anderen die Suche nach dem „idealen Format“ für die eigene Lehrveranstaltung. Um den Erfahrungsaustausch zu erleichtern und zu fördern, haben wir deshalb an der Fakultät ein eigenes „Forum Virtuelle Lehre“ eingerichtet und halten auch Informationsmeetings ab.
Besonders freut es mich, nunmehr, nach vereinzelten Vorbehalten häufig auch begeisterte Berichte von Lehrenden zu hören: Begeistert, weil alles doch so gut funktioniert hat; begeistert, weil die Studierenden die fachliche Online-Interaktion gut angenommen haben; und begeistert, weil die Studierenden auf das Angebot so freudig reagieren. Nicht zuletzt auch deshalb – und das wird ebenfalls explizit artikuliert –, weil die Studierenden in der Zeit sehr starker sozialer Isolation die Möglichkeit der Interaktion in der Online-Lehre schätzen. Und das ist etwas, was mich berührt…
Manche Lehrangebote werden allerdings von Studierenden nur eingeschränkt genutzt, etwa wenn zur Stoffaufbereitung Fragen gestellt werden, die man auf freiwilliger Basis kurz schriftlich beantworten sollte, ist die Rücklaufquote nicht immer zufriedenstellend. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass sich das mit Fortschreiten des Semesters und damit der Etablierung dieser Lehrformate bessert. Die Lehrenden bleiben jedenfalls am Ball!
Um einen Gesamtüberblick über die Online-Lehre in den letzten Wochen und die Pläne für deren weiteren Verlauf zu erhalten, wird diese an unserer Fakultät während der „Osterferien“ evaluiert.
Die erste große Herausforderung für mich als Studiendekanin ganz unmittelbar – ebenso wie für mein gesamtes Team im Referat für Studium und Lehre im Dekanat – war die Schließung der Universität Graz für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur von (irgend)einem Tag auf den anderen, sondern von Sonntag auf Montag. Alles, was zur Weiterführung einer fakultätsweiten Servicestelle für Studierende notwendig ist, musste – analog wie digital – beigeschafft bzw für und auf den Homeoffice-Betrieb umgestellt werden: Der Workflow für alle Prozesse in diesem Bereich musste sowohl zwischen den Mitarbeiterinnen untereinander wie auch mit mir und insbesondere für die Kommunikation mit den Studierenden und Lehrenden neu aufgesetzt werden. Unser „Alltagsgeschäft“ musste möglichst rasch reibungslos weiterlaufen können, um Verzögerungen und Reibungsverluste auf allen Seiten zu vermeiden. Das war binnen weniger Tage unsere erste geschaffte Hürde!
REWI: Die Vorsichtsmaßnahmen betreffen nicht nur Lehrveranstaltungen. Wie geht man nun bei (Fach-)Prüfungen vor?
Gabriele Schmölzer: Wie schon gesagt, sind online durchgeführte Verteidigungen von Diplomarbeiten, Dissertationsprojekten und von beurteilten Dissertationen in den letzten Wochen eigentlich bereits Teil des „Normalbetriebes“ geworden.
Im Bereich der mündlichen Fachprüfungen konnten wir noch vor der lehr- und prüfungsfreien Zeit Ersatztermine per Skype4Business anbieten, sodass etwa 30 Personen - zeitnah zu den abgesagten Terminen - zu diesen Prüfungen antreten konnten. Auf Wunsch der Studierenden werden weitere solche Termine auch während der „Osterferien“ angeboten.
In den letzten Tagen wurde durch den hervorragenden Einsatz unserer ePrüfungsabteilung im Dekanat auch das Konzept für schriftliche Online-Fachprüfungen fertiggestellt und mit einem Testassessment auf der Homepage präsentiert. Wie groß das Interesse daran ist, zeigt das Faktum, dass am ersten Tag über 250 Personen darauf zugegriffen haben! So wird die REWI-Fakultät am 20. April 2020 an der Universität Graz den Startschuss für schriftliche Online-Prüfungen geben können!
REWI: Waren Sie schon online im „Hörsaal“ oder haben Sie selbst schon online geprüft?
Gabriele Schmölzer: Mit großer Freude hatte ich den Vorsitz bei den drei ersten Online-Rigorosen vor mittlerweile zwei Wochen inne – war gespannt, glücklich und zufrieden, wie das alles gelaufen ist!
Als die Präsenzlehre coronabedingt bis zur lehrveranstaltungsfreien Zeit ausgesetzt wurde, waren meine aktuellen Termine, insbesondere im Bereich der Basislehrveranstaltungen, in meinem primären Fokus und ich habe zB mit Unterstützung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Institut versucht, den Studierenden das Erlernen von strafrechtlicher Falllösungskompetenz zwischenzeitig über Moodle näherzubringen. Für die weitere Zeit ohne realen Hörsaal werde ich jedoch stärker auf unmittelbare Interaktion mit den Studierenden „umsteigen“. Zum einen kann ich über einen längeren Zeitraum die Lehr- und Lernziele nur so erreichen, zum anderen fehlt mir das Unterrichten einfach. Es war für mich einer der Faktoren, die für meine Berufswahl ausschlaggebend waren; und das sehe ich heute nicht anders als damals.
Besonders „leide“ ich darunter, dass ich meine sehr stark praxisorientierten Seminare nicht in der üblichen Form werde abhalten können: Der Besuch von Institutionen im Ausland muss entfallen, Exkursionen in Justizanstalten können wahrscheinlich nicht stattfinden und die spannenden Diskussionen im Seminarraum werden atmosphärisch nicht ersetzbar sein, auch wenn wir uns alle zu Präsentationen im virtuellen Raum treffen werden.
REWI: Wie wir inzwischen wissen, werden uns die Konsequenzen dieser Maßnahmen an der Universität Graz auch nach Ostern längere Zeit begleiten. Kommen weitere Herausforderungen auf Sie zu?
Gabriele Schmölzer: Herausforderung, Unsicherheit, Kreativität und Flexibilität – das sind Worte, die man in den letzten Wochen immer wieder liest, hört und gebraucht.
Ja, es wird natürlich weiter Herausforderungen geben! Und wir stellen uns viele Fragen: Wird das, was wir in den letzten Wochen im Lehr- und Prüfungsbetrieb, aber auch in der diesbezüglichen Administration an der Fakultät aufgebaut haben, den Erwartungen aller weiterhin standhalten und sich ausbauen und verbessern lassen?
Wird uns allen – Lehrenden wie Studierenden – die Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Ausführung des COVID-19-Hochschulgesetzes vom 5. April 2020 die studienrechtlichen Rahmenbedingungen, Informationen und Klarstellungen bringen, die wir für eine sinnvolle Gestaltung dieses Semesters so dringend brauchen, um Unsicherheiten zu beseitigen?
Und lässt sich die Herausforderung für Lehrende wie Studierende nicht vielleicht in eine Chance wandeln, Kreativität und Flexibilität nicht nur an den Tag legen zu müssen, sondern leben zu dürfen?
REWI: Welches Resümee ziehen Sie nach einem Monat „Ausnahmesituation“?
Gabriele Schmölzer: Ein Monat? Stimmt, auf den Tag genau… Es ist für mich gerade unglaublich! Zum einen vermisst man die unmittelbaren Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen wie auch mit den Studierenden spürbar, zum anderen ist es retrospektiv eigentlich nicht zu fassen, was diese Fakultät, wir alle gemeinsam (und damit meine ich auch die perfekte Zusammenarbeit mit der Studierendenvertretung an unserer Fakultät), in dieser Zeit geschafft haben! Wir haben in unsicheren Zeiten die Herausforderungen angenommen und mit vollstem Einsatz – hoffentlich auch mit dem entsprechenden Maß an Kreativität und Flexibilität – schnellstmöglich nach besten Lösungen gestrebt. Das war unser Anspruch. Möglich und schaffbar war mir das in meinem Zuständigkeitsbereich Erreichte nur durch den bedingungslosen Einsatz vieler, insbesondere aber unseres Dekans und meines Teams am Dekanat. Dafür haben sie meine allergrößte Wertschätzung!
Mein Resümee: Das Erste haben wir einmal gepackt… (Anm REWI: Auch wenn das im Kärntner Dialekt weitaus charmanter klingt…)