Soeben im Internet ein Schnäppchen aus Asien geordert, nebenbei Musik gestreamt und für nachher die Mitfahrgelegenheit über eine App gecheckt… Man wächst heute damit auf. Für viele ist es aber eine ganz neue Welt, die bis vor wenigen Jahren noch utopisch anmutete. Auch rechtliche Regelungen hatten solche digitalen Geschäfte so noch nicht vor Augen. Die neue Publikation „Umsatzsteuer in einer digitalisierten Welt“ von Tina Ehrke-Rabel, Stefan Hammerl und Lily Zechner (Institut für Finanzrecht) zeigt Lösungswege auf, wie im Umsatzsteuerrecht auf die Herausforderungen dieser unkörperlichen Welt durchaus mit Bestehendem geantwortet werden kann und wo nachjustiert werden müsste.
REWI: Regelungen einer analogen Welt auf völlig Neues aus der digitalen anzuwenden, ist das so einfach möglich?
Tina Ehrke-Rabel: Das Umsatzsteuerrecht bewertet Vorgänge primär nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt und ihrer geschäftlichen Realität und nicht nach der Beurteilung in einer anderen Rechtsmaterie (etwa dem Zivilrecht). Aufgrund dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann sich das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich an Veränderungen in der Wirtschaft anpassen und Innovationen erfassen. Die unterschiedlichen neuen, digitalen Geschäftsmodelle sind aber vielfältig ausgestaltet, sodass ihre umsatzsteuerrechtliche Beurteilung stets einzelfallbezogen zu erfolgen hat.
REWI: Sie befassen sich mit dem spannenden Thema, ob persönliche Daten, die man den Anbietern bei der Nutzung von deren „kostenlosen“ Onlinediensten zur Verfügung stellen muss, nicht doch ein Entgelt für diese Dienste darstellen und wir letztlich damit bezahlen.
Lily Zechner: Diese Frage wird in der umsatzsteuerrechtlichen Literatur kontrovers diskutiert. Unserer Auffassung nach handelt es sich bei Onlinediensten, für die der Nutzer dem Anbieter im Gegenzug willentlich oder nur „beobachtbar“ Daten zur Verarbeitung überlässt, nur vermeintlich um unentgeltliche und damit nicht umsatzsteuerbare Leistungen. Bei genauer Betrachtung kann das umfassende Datennutzungsrecht, das der Nutzer dem Anbieter des Onlinedienstes einräumt, ein Entgelt für die Nutzung dieses Onlinedienstes sein. In diesen Fällen liegt eine Dienstleistung vor, die der Umsatzsteuer unterliegt.
REWI: Wo liegen Herausforderungen im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen, die online bestellt werden?
Stefan Hammerl: Durch die vermehrte Anbahnung und Abwicklung von Geschäftsbeziehungen über das Internet hat auch die Internationalisierung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs weiter zugenommen. Aus staatlicher Sicht liegt die zentrale Herausforderung hier vor allem im Vollzug des anwendbaren Rechts. Dementsprechend ist der Vollzug des harmonisierten Mehrwertsteuersystems zunehmend auf den kooperativen Einsatz finanzbehördlicher Kontrollressourcen mehrerer Staaten angewiesen. Aus unternehmerischer Sicht besteht die zentrale Herausforderung darin, ihre umsatzsteuerrechtliche Compliance auch im Hinblick auf die neuen und im Detail sehr komplexen Sonderregelungen für den digitalen Bereich sicherzustellen.
REWI: Entwicklungen in der digitalisierten Welt überstürzen sich oft. Haben Sie Neues entdeckt, das Sie als Nächstes näher untersuchen möchten?
Tina Ehrke-Rabel: Die Dynamik der Entwicklungen in der digitalisierten Welt stellt eine besondere Herausforderung für das Recht dar. Schon aus rechtsstaatlicher Sicht ist es notwendig, mit den Entwicklungen in diesem Bereich Schritt zu halten. Beispielsweise ist das Institut aktuell am Horizon 2020-Projekt ETAPAS der EU beteiligt. Hier werden unter anderem die rechtlichen Auswirkungen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz und Big Data in der öffentlichen Verwaltung erforscht.
Was erwartet Sie in der neuen Publikation? Tina Ehrke-Rabel, Stefan Hammerl und Lily Zechner erzählen es Ihnen im folgenden Clip:
Clip Umsatzsteuer in der digitalisierten Welt
Und ein besonderes Goodie: Die 226 Seiten starke Publikation können Sie hier herunterladen.