Brandaktuelle Themen aus sämtlichen juristischen Fachrichtungen greift die frisch aus der Taufe gehobene „Nachhaltigkeitsrecht (NR) – Zeitschrift für das Recht der nachhaltigen Entwicklung“ auf. Sie ist die erste juristische Fachzeitschrift zur neuen Querschnittsmaterie, die fast selbstredend Bereiche aus dem Umwelt-, Energie- und Vergaberecht im Mehrebenensystem aus Völker-, Europa- und innerstaatlichem Recht behandelt, aber auch – und das ist vielleicht auf den ersten Blick überraschend – Aspekte aus dem Zivilrecht, dem Gesellschaftsrecht, dem Banken- und Kapitalmarktrecht, dem Steuerrecht oder dem Strafrecht umfasst. Mitherausgeber Gerhard Schnedl (Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft) erzählt uns mehr.
REWI: Die neue Zeitschrift greift einen brandneuen Rechtsbereich auf. Was kann man sich unter Nachhaltigkeitsrecht vorstellen?
Gerhard Schnedl: Der Begriff „Nachhaltigkeit“ („sustainability“) ist in den letzten Jahren Teil unseres täglichen Sprachgebrauchs geworden. Auf internationaler Ebene prägt er bereits seit mehr als 30 Jahren die Diskussion, was 2015 in der Annahme der 17 universell gültigen Nachhaltigkeitsziele („Sustainable Development Goals“, SDGs) durch die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mündete (Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung). Eine nachhaltige Wirtschafts- und Klimapolitik findet sich auch im europäischen „Green Deal“ aus 2019 wieder, der u.a. ein klimaneutrales Europa bis zum Jahr 2050 zum Ziel erklärt. Und auch Österreich bekennt sich in Form einer 2013 beschlossenen Staatszielbestimmung und damit auf Verfassungsebene zum Prinzip der Nachhaltigkeit. Klimaneutralität soll laut aktuellem Regierungsprogramm bereits 2040 erreicht werden.
Zur Umsetzung all dieser politischen Zielvorgaben bedarf es nunmehr des Rechts: als Nachhaltigkeitsrecht, abseits traditioneller Grenzen der klassischen Rechtsbereiche oder der Fokussierung auf die nationale oder internationale Ebene. Alle Rechtsgebiete, die Entwicklungen und Problemstellungen im Bereich der Nachhaltigkeit aufgreifen und behandeln, werden als Teil dieser neuen Querschnittsmaterie betrachtet. Für viel Aufsehen gesorgt hat zuletzt das Mitte Juli vorgelegte „Fit for 55“-Legislativpaket der EU-Kommission. Die am Nachhaltigkeitsprinzip orientierten Klimaschutzmaßnahmen sollen sicherstellen, dass die EU ihre Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55% reduziert, und zwar auf sozial faire Weise und unter Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.
REWI: Auch das Banken- und Kapitalmarktrecht, das Steuerrecht oder das Strafrecht werden von der Querschnittsmaterie umfasst. Welche Fragestellungen aus dem Nachhaltigkeitsrecht sind in diesen angesprochen?
Gerhard Schnedl: Beim Banken- und Kapitalmarktrecht geht es um den steigenden Bedarf nach „grünen“ bzw. nachhaltigen Finanzprodukten („sustainable finance“) wie etwa „green bonds“. Sie dienen dem Klima- und Umweltschutz und beruhen auf dem EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Im Zentrum des Steuerrechts stehen Umwelt- und CO2-Steuern, die zuletzt auch in den Fokus der heimischen Politik gerückt sind. So hat die österreichische Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm eine CO2-Bepreisung zur Erreichung der Pariser Klimaziele explizit ins Auge gefasst. Nachhaltigkeitsaspekte des Strafrechts betreffen vornehmlich das Umweltstrafrecht.
REWI: Wie ist die Zeitschrift entstanden?
Gerhard Schnedl: Die NR ist die erste juristische Fachzeitschrift im deutschsprachigen Raum, die sich umfassend durch alle juristischen Fachrichtungen hindurch mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzt. Die Idee hierzu hatten die drei Herausgeber, die beiden Wiener Anwälte Berthold Hofbauer und Berthold Lindner sowie der Passauer Völkerrechtler Markus P. Beham. Gemeinsam suchten sie nach Mitherausgeber_innen in den jeweiligen Fachbereichen des Nachhaltigkeitsrecht, für den Bereich des Umweltrechts wurden sie bei mir vorstellig. Ich war vom Konzept der geplanten Zeitschrift überzeugt und wurde Teil des Teams. Mit dem Verlag Österreich wurde schließlich auch ein renommierter Verlag gefunden. Im Frühjahr 2021 war es schließlich so weit, das erste Heft der neuen NR ist erschienen, dem mittlerweile Heft 2 gefolgt ist.
REWI: Wie sind Sie zum Thema Nachhaltigkeit gekommen?
Gerhard Schnedl: Auf fachlicher Ebene bin ich über das Umweltrecht zum Nachhaltigkeitsrecht gekommen. Das Umweltrecht steht nach dem sog. „Drei-Säulen-Modell“ (Verwirklichung und Harmonisierung ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele) für die ökologische Nachhaltigkeit, d.h. für die Schonung und langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, um auch zukünftigen Generationen bestmögliche Lebensqualität zu gewährleisten. Aber auch auf institutioneller Ebene habe ich Verbindungen zum Thema Nachhaltigkeit. So bin ich seit mehreren Jahren Mitglied des Nachhaltigkeitsbeirats der Universität Graz sowie Mitglied von ClimLaw: Graz, einem an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz eingerichteten Forschungszentrum zum Klimaschutzrecht, als Teil des interdisziplinären Profilbereichs „Climate Change Graz“.
REWI: Was erwartet die Leser_innen in der Zeitschrift?
Gerhard Schnedl: Im aktuellen Heft 2/2021 erwartet die Leser_innen zunächst ein Beitrag von Justizministerin Alma Zadic zum Thema „Nachhaltigkeit als Zielvorgabe für Recht und Justiz“. In den Fachartikeln spannt sich ein breiter Bogen an Themen, etwa zum Europäischen Green Deal, zur Bedeutung der Nachhaltigkeit im Gesellschaftsrecht, zur (ersten) österreichischen Klimaklage vor dem VfGH oder zur Berücksichtigung sozial- und umweltpolitischer Belange im EU-Antidumping- und Antisubventionsrecht. Weiters gibt es die Rubriken „Judikatur“ (z.B. eine Besprechung der Entscheidung des dt. BVerfG vom März 2021 zur teilweisen Verfassungswidrigkeit des deutschen Klimaschutzgesetzes), „Praxis“ (u.a. Vorschläge zur Bekämpfung von „Greenwashing“ in internationalen Lieferketten), „Literatur“ (z.B. eine Rezension des Tagungsbandes des Grazer Umweltrechtsforums 2019 „CO2- und Umweltsteuern“) und „Veranstaltungen“ (Berichte und Ankündigungen).
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