REWI: Auch das nun beginnende Wintersemester wird kein gewöhnliches an der REWI Graz werden. Wie geht die Rechtswissenschaftliche Fakultät ins neue Semester?
Christoph Bezemek: Natürlich könnte man jetzt einwenden, dass jedes Semester an der REWI außergewöhnlich ist: keines gleicht dem anderen, jedes birgt eigene Herausforderungen und hat eigene Höhepunkte. Aber es stimmt schon. Auch das Wintersemester wird noch ein gutes Stück weit von dem entfernt sein, was als Regelbetrieb angesehen werden kann. Abstandsregeln, redimensionierte Veranstaltungen, „hybrid“ durchgeführte Lehrveranstaltungen: All das gibt beredtes Zeugnis davon, dass wir mit dem Wintersemester keineswegs zum Alltag zurückkehren. Dennoch haben wir uns als Maxime zurechtgelegt: So viel Präsenz wie möglich, so lange wie möglich. Akademisches Leben braucht die Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden und zwischen den Forscherinnen und Forschern. Diese Interaktion wollen wir – auch unter veränderten Rahmenbedingungen – sicherstellen; und das ohne dabei Abstriche bei den notwendigen Sicherheitsmaßgaben zu machen.
REWI: Wie sehen denn die Sicherheitsvorkehrungen am Campus/im RESOWI aus?
Christoph Bezemek: Die Universitätsleitung hat ein Ampelsystem implementiert, das es erlaubt, flexibel und ohne das Rad immer wieder aufs Neue erfinden zu müssen, auf die konkrete Situation zu reagieren. Das stellt Vorhersehbarkeit sicher und schafft ein Grundmaß an Planbarkeit in einer Situation, die an sich durch besondere Planungsunsicherheit gekennzeichnet ist. Derzeit stehen wir auf „gelb“ – also in einer Situation, in der bestimmte zusätzliche Maßgaben zu berücksichtigen sind: etwa Mund-Nasen-Schutz auf den Gängen des RESOWI zu tragen oder Präsenzlehrveranstaltungen ein wenig zu verkürzen, um zusätzliche Lüftungsmöglichkeiten sicherzustellen. Natürlich ist all das ungewohnt und vielfach mit zusätzlichem Aufwand für die einzelnen Fakultätsangehörigen verbunden, aber es hilft uns sehr dabei, die Möglichkeiten des Präsenzbetriebs so weit wie möglich auszuschöpfen.
REWI: Was erwartet die Studierenden? Werden Lehrveranstaltungen und Prüfungen wieder online durchgeführt?
Gabriele Schmölzer: In den Ampelfarben „gelb“ und „orange“ ist Präsenzlehre unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich. Ausgehend vom schon erwähnten Motto „so viel Präsenz wie möglich, so lange wie möglich“ werden im WS 20/21 derzeit nur etwa 25% unserer knapp 300 Lehrveranstaltungen als reine Online-Lehre angeboten. Der Großteil der Lehrenden setzt auf hybride Modelle in unterschiedlicher Form; abhängig vom Lehrveranstaltungstyp und den damit verbundenen Lehr- und Lernzielen sowie den Gruppengrößen in Verbindung mit der zur Verfügung stehenden Raumkapazität. Das bedeutet, dass für Lehrveranstaltungen angemeldete Studierende bzw. Studierende mit Fixplatz immer wieder Präsenzeinheiten an der Fakultät wahrnehmen können bzw. müssen, dass aber für diejenigen, die gerade nicht physisch anwesend sein können, Online-Angebote – vorzugsweise als Live-Stream – zur Verfügung stehen. Für attestierte COVID-19-(Verdachts-)Fälle und für Angehörige von COVID-19-Risikogruppen gibt es diese Alternativen jedenfalls. Es ist uns sehr daran gelegen, den unmittelbaren Kontakt mit den Studierenden – soweit es möglich und sinnvoll ist – wieder aufzunehmen. Auch wir Lehrende haben das im SS 2020 spürbar vermisst. Und ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Es war am 28.9.2020 etwas ganz Besonderes, im Rahmen der Orientierungsveranstaltungen endlich wieder mit Studierenden im Hörsaal sein zu können!
Was die Prüfungen jenseits der in der ausschließlichen Verantwortung der Lehrenden liegenden Lehrveranstaltungsprüfungen anlangt, so ist von einer Maxime der Durchführung in Präsenz auszugehen. Für entsprechende Raumressourcen – zum Teil auch außerhalb des Campus – wurde bereits Vorsorge getroffen. Nur einzelne schriftliche Fachprüfungen werden weiterhin als „Take Home Exams“ online durchgeführt.
REWI: Welche Rückmeldungen haben Sie von den Studierenden zum virtuellen Sommersemester 2020 erhalten? Konnten Sie davon etwas für die Vorbereitungen auf dieses Semester mitnehmen?
Gabriele Schmölzer: Neben den persönlichen Erfahrungen und den unmittelbaren Rückmeldungen an mich und meine Kolleginnen und Kollegen im Lehrbetrieb der REWI-Fakultät können wir uns insbesondere auf die Ergebnisse einer Studierendenbefragung zum „Corona-Semester“ an der Universität Graz stützen, an der im Juli 2020 über 200 REWI-Studierende teilgenommen haben. Diese waren mit der Kommunikation und dem Austausch mit Lehrenden durchaus zufrieden. Freilich: Was die Zufriedenheit mit der didaktischen Gestaltung der Lehre anlangt, so besteht mit Sicherheit noch „Luft nach oben“, war doch das Sommersemester 2020 für uns alle ein Pilotprojekt. Aber die REWI-Fakultät hat sich aus Sicht der Studierenden auch diesbezüglich wacker geschlagen. So zeigt diese Befragung, dass die REWI-Studierenden in besonderem Maß motiviert werden konnten und fast alle Befragten bereits Online-Prüfungen absolviert hatten. Und unsere Abschlusszahlen sprechen ebenso Bände wie die Teilnahmen an der ersten virtuellen Sponsion Ende Mai und der erste Sponsions-/Promotionstermin Mitte Juli.
Und für das weitere Vorgehen besonders relevant: Über 40% der befragten REWI-Studierenden haben sich ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Präsenzlehre und digitaler Lehre gewünscht. Sie sehen, wir arbeiten ganz intensiv an der Umsetzung solcher Konzepte!
REWI: Wie ist es Ihnen persönlich bei der Vorbereitung Ihrer Lehrveranstaltungen bzw. Ihrer Forschungsarbeiten für das Wintersemester ergangen?
Christoph Bezemek (lacht): Ich weiß, dass es da der Studiendekanin nicht anders geht als mir, aber derzeit bleibt neben den administrativen Agenden schlicht wenig Zeit für akademische Belange. Wissenschaft braucht Muße und davon ist derzeit wenig vorhanden. Das zu beklagen stünde mir aber nicht gut an. Die Aufgabe verlangt jetzt einfach etwas anderes: bestmögliche Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre sicherzustellen und den Rahmen dann für die Fakultät bestmöglich zu nutzen. Was die Lehre anlangt, bin ich meinen Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl sehr dankbar für die großartige Unterstützung, ohne die ich nicht so entspannt auf das nächste Semester blicken könnte. Ich freue mich sehr darauf, wieder im Hörsaal zu sein – ob in den Ausgewählten Kapiteln oder in den Seminaren mit meinen Kolleginnen Iris Eisenberger und Bettina Nunner-Krautgasser.
Gabriele Schmölzer (lächelt milde): Abgesehen davon, dass es mir nicht anstünde, dem Herrn Dekan zu widersprechen (jetzt lacht sie), kann ich es leider auch inhaltlich überhaupt nicht! Nach Abschluss der Lehrveranstaltungen und Prüfungen des letzten Semesters waren für mich die Monate bis zum heutigen Tag geprägt von Diskussionen, Planungen und Abstimmungen für die Organisation und Sicherstellung des Lehr- und Prüfungsbetriebes auf universitätsweiter, fakultätsübergreifender und REWI-interner Ebene. Würde ich dabei nicht dieses grandiose Maß an Unterstützung durch mein Team im Referat für Studium und Lehre erfahren, wäre das unschaffbar; ebenso wie die Koordination des Lehr- und Prüfungsbetriebes an meinem Institut und insbesondere die technisch-organisatorische Vorbereitung meiner eigenen Lehrveranstaltungen ohne das mich vorausschauend und umsichtig umsorgende Team meiner engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht funktionieren würden. Einfach – wieder einmal – danke Euch allen! So konnte ich auch – die Bürde zu einem wesentlichen Teil auf die Schultern meines Co-Herausgebers Thomas Mühlbacher legend – die Neuauflage des Bandes 1 und die Vorbereitung des Bandes 3 unseres Kommentares zur Strafprozessordnung bewerkstelligen.
REWI: Prognosen zu stellen, ist in Situationen wie der derzeitigen natürlich denkbar anspruchsvoll, aber wird nach Ihrem Dafürhalten das gesamte Studienjahr mit Einschränkungen in Forschung und Lehre verbunden sein?
Christoph Bezemek: Diese Fakultät hat in ihrer Geschichte, die bis vor die Französische Revolution zurückreicht, sechs Kaiser gesehen, zwei Weltkriege und zwei Republiken, die sie hervorgebracht haben. Die REWI weiß damit einiges von Herausforderungen zu berichten und wie man sie bewältigt. Ich halte es vor diesem Hintergrund mit Gregor von Rezzoris Maghrebinischen Geschichten: „Auch dieses wird vergehen.“