REWI Uni Graz: Sie waren nach drei Jahren mit dem Jus-Studium fertig und das als Ranking-Erster Ihres Abschlussjahrgangs, nach einem weiteren Jahr schlossen Sie das Doktorat ab und machten nebenbei auch noch Ihr BWL-Studium fertig. Wie haben Sie das geschafft?
Gerald Podobnik: Nach der Matura besuchte ich zunächst das Tourismuskolleg in Bad Gleichenberg. Als ich nach dessen Abschluss an der Uni zu studieren begann, war ich etwas älter als meine Studienkolleginnen und -kollegen. Vor diesem Hintergrund war ich der Meinung, jetzt müsse ich Zeit gutmachen und Gas geben, um keinen Nachteil zu haben. Hinzu kommt, dass ich schon immer einen gewissen Ehrgeiz hatte. So bin ich mit vollem Einsatz in die Studien hinein, betrieb sie fast wie Sport, sah etwa Prüfungen wie ein Turnier, in das ich fokussiert und bestens vorbereitet gehen wollte. Jus und BWL interessierten mich zudem und passten als Kombination gut zusammen. Außerdem hat die räumliche Nähe der beiden Fakultäten im RESOWI-Zentrum geholfen, um nach einer Lehrveranstaltung in einem Studium gleich zu einer im anderen gehen zu können. Nach sechs Semestern war ich mit Jus, kurz danach mit BWL fertig. Während des Doktorats arbeitete ich schon bei einer Bank in München, da hatte ich nur die Abende und Wochenenden für die Dissertation und das Lernen. Entsprechend kurz kam das Privatleben während dieser Zeit.
Wie fiel Ihre Entscheidung für das Jus-Studium?
Eigentlich hatte ich Jus zunächst gar nicht auf dem Schirm. Im Tourismuskolleg kam ich zum ersten Mal im Fach Rechtskunde mit Jus in Berührung, und es gefiel mir von Anfang an. Das Kolleg war mir nicht genug, sodass ich nach dem Abschluss noch ein Studium an der Uni dranhängen wollte. Meine Lehrerin im Tourismuskolleg brachte mich auf den Gedanken, Jus und BWL gleichzeitig zu studieren.
Beide Studien entsprachen dann auch meiner Vorstellung. Emotional zog es mich etwas mehr zu Jus hin, weil mich fasziniert hatte, wie man Fachgebiete vollumfänglich lernte und sich mit ihnen auseinandersetzte, wie man Einblicke in das Entstehen von Rechtsgrundlagen erhält und mit diesen umgeht. Dadurch habe ich ein Gespür entwickelt, wie Geschäfte und Sachverhalte einzuordnen sind – etwas, von dem ich heute noch profitiere. Müsste ich mich nochmals entscheiden, würde ich es wieder so machen.
Wenn Sie heute an Ihre Studienzeit zurückdenken, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ganz klar: das RESOWI-Zentrum. Ich lernte gerne im Bereich vor dem Institut für Völkerrecht im vierten Stock, da war es ruhig und man hatte eine schöne Aussicht. Die Hörsäle mit der hellen Holzvertäfelung und die Bibliothek sind mir ebenso in guter Erinnerung. Gerne denke ich auch an meine Zeit als Studienassistent am Institut für Strafrecht zurück. Dort fühlte ich mich sehr wohl, zum einen war das Fach Strafrecht und die systematische Arbeitsweise darin äußerst spannend, zum anderen die Atmosphäre am Institut sehr herzlich.
Wie verlief Ihr beruflicher Weg nach dem Studium?
Schon während der Studienzeit absolvierte ich mehrere Praktika bei der HypoVereinsbank in München und hatte das Glück, dort direkt nach dem Jus-Diplomstudium anfangen zu können. Die Praktika haben mir die Tür ins Berufsleben geöffnet. Nach zwei Jahren in München wechselte ich zur Deutschen Bank, bei der ich bis heute tätig bin, zunächst in Frankfurt, zwischenzeitlich in London und nun wieder in Frankfurt.
Welche Themen beschäftigen Sie bei der Deutschen Bank?
Über 16 Jahre lag der Schwerpunkt meiner Tätigkeit im Investmentbanking. Seit drei Jahren bin ich nun CFO bei der Corporate Bank, einem der vier Geschäftsbereiche der Deutschen Bank. Daneben bin ich Co-Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrats der Bank.
Inhaltlich spielt bei meiner Arbeit die Beobachtung der Kapitalmärkte eine große Rolle. Es kommt darauf an zu erkennen, was Trends der Zukunft sind und in welche Richtung sich die Märkte entwickeln. Daraus leiten wir in meinem Team ab, welche neuen Produkte Kunden brauchen werden und wie die Beratung für diese Produkte aussehen muss. Aktuelle Themen sind Regionalität, Wachstumsmärkte, das Metaversum oder die klimaneutrale Wirtschaft.
Stichwort Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielen Banken bei der Bekämpfung des Klimawandels?
Hier sehe ich zwei Rollen für uns. Zum einen können Banken durch ihre eigene Entscheidung darüber, wer Zugang zu Finanzierungen erhält, mitsteuern, welche Projekte umgesetzt werden. Banken haben also eine direkte Wirkung auf die Wirtschaft. Zum anderen können Banken über Nachhaltigkeitsprodukte die Transformation in Richtung zu einer nachhaltigen Wirtschaft fördern. Ein Beispiel sind sogenannte Green Bonds. Bei diesen Anleihen wird im Prospekt festgelegt, welche grünen Projekte mit den Erlösen finanziert werden. Somit gehen die jeweiligen Unternehmen von sich aus die Verpflichtung ein, das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus zu nehmen – weil es von den Investoren goutiert wird.
Nachhaltigkeit ist ein großes Thema bei Ihrer Arbeit im Sustainable Finance Beirat der deutschen Bundesregierung. In welche Richtung entwickelt sich eine nachhaltige Finanzwirtschaft?
Wir gehen auf immer mehr Standardisierung zu. Die EU-Taxonomie-Verordnung legt beispielsweise eindeutig fest, was unter nachhaltiger Finanzwirtschaft zu verstehen ist und welche Kernpunkte diese hat. Mit dieser Klarheit ist Europa damit weltweit Vorreiter. Daneben bergen spezifischere Vorgaben für die Berichterstattung von Unternehmen enormes Potenzial: Was man in der Öffentlichkeit kommuniziert, hat auch nach innen einen wichtigen Steuerungseffekt. Hinzu kommen unterschiedlichste Unternehmensinitiativen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit – etwa, wenn es um Ausgleichsprojekte für eine verursachte CO2-Belastung geht.
Auf welche Kompetenzen ist es in Ihrem Berufsleben angekommen?
Am Anfang meiner beruflichen Laufbahn musste ich mir natürlich erst einmal einschlägiges Fachwissen aneignen, da ist das Uni-Wissen nicht direkt anwendbar. Allerdings hatte ich durch das Jus-Studium auch das entsprechende Handwerkszeug dafür.
Dazu muss man selbstbewusst sein und zeigen, dass man leistungsbereit ist und sich etwas zutraut. Man darf sich das Arbeitsleben nicht so vorstellen, dass der Chef einem ständig sagt, was zu tun ist. Wenn man vorankommen will, muss man sich selbst engagieren und sukzessive mehr Verantwortung übernehmen. Karriere geht nun mal nicht ohne Leistung.
Im weiteren Verlauf der Karriere helfen dann der Wille und die Fähigkeit, auch Führungsaufgaben zu übernehmen. Hinzu kommt – wenn man in einem internationalen Unternehmen tätig ist – das Gespür für regionale und kulturelle Unterschiede. Es geht darum, in Regionen der Welt und Kulturen glaubwürdig bleiben zu können. Und dazu gehört Verbindlichkeit ebenso wie Flexibilität.
Was steht bei Ihnen in der Freizeit ganz on top?
Meine Familie. Meine Kinder halten mich ganz schön auf Trab und ich bin bei allen möglichen Alltagstätigkeiten voll dabei. Dazu bin ich ein wahrer Geschichte-Fan und engagiere mich sozial bei mehreren Initiativen, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Was würden Sie Studierenden gerne mit auf den Weg geben?
… bei beruflichen Überlegungen an die Finanzbranche zu denken! Meist sind heute Tech-Konzerne oder Start-ups ganz weit oben auf der Wunschliste von Studierenden. Gerade aber die Finanzwirtschaft bietet spannende und unterschiedlichste Jobs sowie tolle Möglichkeiten für Karrieren. Dazu besteht die Chance, global tätig zu sein. Und: Man sollte weniger überlegen, was könnte in der Zukunft am Arbeitsmarkt gesucht werden, sondern das machen, was man richtig gut kann und wofür man brennt. Menschen, die sich für das, was sie tun, wirklich interessieren, werden immer gesucht.