War Mosul bereits seit Jahrhunderten eine regional und international einflussreiche und wichtige Stadt, so erlangte diese mit der Herrschaft der Islamischer Staat-Miliz von 2014 bis 2017 traurige Berühmtheit. Zwar erlebte die Stadt wie auch das ganze Land nur wenige Jahre zuvor Krieg und Zerstörung sowie politische, ethnische und religiöse Fragmentierung im Anschluss an den Einmarsch des US-Militärs im Jahr 2003, doch brachte die jihadistische Miliz eine neue Qualität der Zerstörung: Dieses Mal wurden weite Teile der Stadt, darunter die teilweise jahrtausendealte Altstadt mit ihren religiösen Bauten unterschiedlichster Konfessionen komplett zerstört – und das sowohl durch den IS als auch durch US-Bomben. Zur physischen Zerstörung kam die psychische Belastung, nicht nur durch die Zerstörung, sondern durch die vielen Martyrien, welche die Bevölkerung unter der Herrschaft der jihadistischen Miliz(en) erleiden musste.
Ziel ist nun, nachhaltig Frieden in der Region zu etablieren. Dieser Vorgabe hat sich auch das Projekt „RESI“ verschrieben. Unter dem Titel „Rethink Education and Science in Iraq“ werden wissenschaftliche und interkulturelle Initiativen gesetzt, um die Vermittlung von Frieden, die Förderung des wissenschaftlichen Diskurses sowie die nachhaltige Entwicklung der Universität Mosul, der Stadt und der Region zu unterstützen. An der REWI Uni Graz mit an Bord des Projekts sind Maximilan Lakitsch und Sascha Ferz sowie Karin Sonnleitner vom Zentrum für Soziale Kompetenz.
Anfang März brachen Maximilian Lakitsch und Sascha Ferz im Rahmen von RESI nach Mosul auf, wo eine große Konferenz an der dortigen Universität zu den Sustainable Development Goals mit einigen hundert Studierenden aus den Provinzen Nineveh und Kurdistan stattfand. Die Studierenden diskutierten und erarbeiten im Rahmen diverser Workshops Pläne zum nachhaltigen Wiederaufbau ihrer Stadt und ihrer Region(en): vom Wiederaufbau der Altstadt Mosuls, der nachhaltigen Müllentsorgung, einer bienenfreundlichen Gestaltung der Umwelt bis hin zu Fragen der Bildung sowie der Sicherheit und des Friedens. Auf dem Programm standen auch von Karin Sonnleitner, die online bei der Konferenz dabei war, Maximilian Lakitsch und Sascha Ferz geleitete Workshops.
Im Rahmen seines Workshops hat Maximilian Lakitsch die Idee der internationalen Konfliktbearbeitung bzw. des Peacebuilding mit Studierenden diskutiert. Dabei wurde die Idee des liberalen Friedens in ihrer Unzulänglichkeit für den Irak nach der Herrschaft Saddam Husseins besprochen. „Die Studierenden haben eigene, lokale Konzepte von Frieden reflektiert und formuliert“, erzählt Lakitsch und ergänzt, „Nur ein lokaler Frieden ist ein nachhaltiger Frieden. Es gab zahlreiche Ideen zur konkreten Umsetzung eines lokalen Friedens in Mosul, wie z.B. den Versuch der Integration von gegenwärtig noch festgehaltenen Familien gefallener IS-Kämpfer_innen“.
Im Workshop von Sascha Ferz stand die Konfliktarbeit in privaten Streitigkeiten im Mittelpunkt. „Es waren nicht die Lösungen im Großen im Blickfeld, sondern der Umgang mit Mikrokonflikten in Familie, Nachbarschaft und im Arbeits- bzw. Wirtschaftsleben“, so Ferz. Die Studierenden bekamen die Möglichkeit, durch Rollenspiele ihr Verhandlungsgeschick zu analysieren und mediative Techniken auszuprobieren. Bei allem Tun stand die Konfliktanalyse im Vordergrund, die es ihnen ermöglichen soll, zukünftig ihre persönlichen konfliktären Herausforderungen im Alltag besser bewältigen zu können.
Karin Sonnleitner näherte sich dem Thema über die Wichtigkeit der Nutzung geeigneter Lernmethoden und Lernstrategien für das Erreichen einer qualitativ hochwertigen Bildung an. Jene Techniken bilden für die akademische Ausbildung und für das spätere Berufsleben eine wesentliche Grundlage. Ausgangspunkt war eine Selbstanalyse (z.B. die Reflexion über den eigenen Lerntyp und über die Vorbereitung auf mündliche oder schriftliche Prüfungen). „Die Studierenden waren gefordert, sich mit der Selbstorganisation während des Studiums und den Umgang mit Leistungs- und Prüfungsdruck auseinanderzusetzen. Der Workshop wurde hybrid abgehalten“, erzählt Sonnleitner.
Es mag zwar tatsächlich nur ein verschwindend geringer Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zum Frieden gewesen sein, der im Rahmen der Konferenz geleistet wurde, doch gab der Enthusiasmus und Optimismus der Studierenden jeglichen Bemühungen recht, es zumindest zu versuchen, hielten die drei Mitarbeiter_innen der Uni Graz nach ihrer Rückkehr unisono fest. „Die Bewohner_innen Mosuls erscheinen resilient und durchaus optimistisch. Man will wieder zu einem Zentrum der Gelehrsamkeit und der religiösen sowie ethnischen Diversität werden, wie man es noch bis in die 1980er-Jahre hinein war“, berichtete Maximilian Lakitsch schließlich von seinen Eindrücken vor Ort.
Das RESI-Projekt wird an der Uni Graz von Heike Wendt vom Institut für Bildungsforschung und Pädagog_innenbildung geleitet und aus Mitteln des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) unterstützt. Weitere Kooperationspartner sind die TU Dortmund und die Universität Mosul. Nähere Informationen zum Projekt finden Sie hier.