(Interview geführt am 5. Juni 2020)
REWI: Mit dem 8. Juni beginnt die Rückkehr auf den Campus und damit auch in das RESOWI-Zentrum. Ist alles wieder normal?
Christoph Bezemek: Nein, von der Normalität, die wir in Lehre, Forschung und Administration kannten, sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Aber es wird ein wichtiger Schritt in eine Richtung gesetzt, die wir uns als Fakultät sehr wünschen – wenn auch zunächst nur auf freiwilliger Basis, bevor dann im Juli der Regelbetrieb in Forschung und Administration wieder anläuft. All das bleibt freilich von Rücksicht und Zurückhaltung geprägt. Die Maßnahmen und Empfehlungen des Rektorats bringen das zum Ausdruck. Und doch wird es schön sein zu sehen, dass sich zum Sommer hin der Campus und das RESOWI wieder vermehrt mit Leben füllen; auch wenn das einen eigenverantwortlich distanzierten und behutsamen Umgang miteinander voraussetzt.
REWI: Distanz war in den letzten Monaten das prägende Moment und bleibt es. Aber ist denn die unmittelbare Interaktion etwa aus Perspektive der Forschung in den Rechtswissenschaften von so entscheidender Bedeutung?
Christoph Bezemek: Gerade die letzten Wochen haben vor Augen geführt, dass Wissenschaft in Isolation keine Wunschvorstellung sein kann; jedenfalls dann, wenn die Isolation der Notwendigkeit geschuldet ist und nicht bewusst gesucht wird, wie wir es ja alle ab und zu tun, um den Herausforderungen des Alltags zu entfliehen. Aber gar nicht die Möglichkeit zu haben, wie gewohnt aus der Bürotür zu treten und unmittelbar und niederschwellig in einen Austausch mit einigen der spannendsten Forscherinnen und Forscher im Bereich der Rechtswissenschaften zu treten, zeigt erst so recht, welches Privileg die REWI Graz die längste Zeit ganz selbstverständlich leben konnte. Und es zeigt schmerzlich, was man in der letzten Zeit vermissen musste und was es wiederherzustellen gilt. Ein Elfenbeinturm an sich ist ja nichts Schlechtes, wenn er denn nur bevölkert ist…
REWI: Die Lehre in Distanz hat gut funktioniert. Kann das nicht ein Modell für die Zukunft sein?
Christoph Bezemek: Es hat gut funktioniert, weil die Lehrenden rasch, mit großer Flexibilität und ebenso großem Einsatz die Herausforderungen angenommen haben, die sich präsentiert haben. Und es hat gut funktioniert, weil die Studierenden große Disziplin und großes Engagement bewiesen haben, auch in ungewohnten Formaten miteinander und mit den Lehrenden zu arbeiten. Ich selbst war, wie viele andere auch, begeistert von den Möglichkeiten im Bereich der Distanzlehre und denke, sie werden vielfach auch künftig verstärkt als sinnvolles Komplement im Lehrbetrieb zum Einsatz kommen. Einen vollumfänglichen Ersatz sehe ich aber nicht. Jedes Medium ist etwas, das dazwischentritt. Und die unmittelbare Interaktion mit den Studierenden im Hörsaal vermisse ich sehr.
REWI: Also wird die REWI auch im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts nicht zur virtuellen Fakultät?
Christoph Bezemek: Virtualität und Aktualität schließen einander nicht notwendig aus, sondern können einander vielfach in überaus gewinnbringender Weise ergänzen. Die letzten Wochen haben auch uns als Fakultät gezeigt, welche entscheidend positiven Effekte die Digitalisierung der Arbeitswelt bringt. Ohne die technischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung standen, die Herausforderungen in Forschung, Lehre und Administration zu bewältigen, will ich mir das nicht einmal vorstellen. Dennoch: Die abstrakte Idee einer universitas von Lehrenden, Forschenden und Studierenden braucht einen konkreten Ort, an dem sie realisiert werden kann. Dieser Ort ist für mich das RESOWI.
REWI: Bleiben wir gleich beim RESOWI: Hier stehen einige Änderungen im Bereich der Infrastruktur an.
Christoph Bezemek: Wir konnten die letzten Wochen gut nutzen, Teile des ambitionierten Programms, das wir uns hier vorgenommen haben, umzusetzen. Der Eingangsbereich wurde adaptiert, der Umbau des Sitzungszimmers ist beinah abgeschlossen, über den Sommer kommt es zur Erneuerung wesentlicher Teile der Lerninfrastruktur für die Studierenden. All das erfolgt in der Zielsetzung, das RESOWI als Aufenthaltsort und als Ort der Begegnung noch attraktiver zu machen. Wenn es einen konkreten Ort braucht, um die abstrakte Idee einer universitas zu realisieren, kann das ohne Weiteres auch ein schöner, oder: ein noch schönerer, Ort sein.
Und natürlich hoffen wir alle, dass dieser noch schönere Ort dann auch mit dem kommenden Semester entsprechend genutzt werden kann. Die Studierenden sind das Herz der Universität. Sie wieder ganz selbstverständlich am Campus und im RESOWI zu haben, wird mir die größte Freude überhaupt sein.
REWI: Im Rahmen der virtuellen Sponsion, die Sie letzte Woche unter dem Vorsitz des Rektors gemeinsam mit der Studiendekanin abgehalten haben, haben Sie Karl Valentin zitiert: „Prognosen sind schwierig, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Auch wenn es schwierig ist, wie lautet ihre Prognose für die (nähere) Zukunft?
Christoph Bezemek: Bei Entwicklungen, die sich weder verlässlich abschätzen noch gar antizipieren lassen, sollte man besonders zurückhaltend sein. Wir können hier schlicht wenig wissen. Aber wir können uns etwas wünschen. Bei mir ist das der Wunsch, dass die neue Normalität weiter Schritt für Schritt der alten Platz macht. Nicht aus dem Reflex heraus, dass früher alles besser war, sondern weil damit der Möglichkeitsraum der Fakultät und ihrer Angehörigen entscheidend erweitert wird. Und darum, diesen Möglichkeitsraum gemeinsam zu nutzen, geht es.
Dennoch gibt es bei all den Unwägbarkeiten auch manches, das gewiss ist: Der Philodendron in meinem Büro würde auch weitere 8 Wochen ohne Wasser durchhalten. Und: Die REWI Graz wird auch künftige Herausforderungen ungeachtet der Größe bewältigen. Das ist einfach so.