Ende gut, Ehe gut, alles gut? Seit Anfang 2019 steht die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare offen. Ist damit Diskriminierung beseitigt und Gleichstellung erzielt? „Ein Meilenstein für die LGBTQI-Bewegung“, urteilt Thomas Schoditsch, Assoziierter Professor am Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen der Universität Graz. Und dennoch verortet der Experte für Familienrecht noch Nachbesserungsbedarf.
Ist mit der „Ehe für alle“ tatsächlich die völlige Gleichstellung erreicht?
Thomas Schoditsch: Mit der Öffnung der „Ehe für alle“ durch den Verfassungsgerichtshof mit 1.1.2019 wurde im Wesentlichen eine Gleichstellung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren erreicht. Da die Verschiedengeschlechtlichkeit von EhepartnerInnen kein Erfordernis mehr ist, steht die Ehe seitdem Personen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung offen. Diese Entwicklung ist als Meilenstein der LGBTQI-Bewegung zu bewerten, die das österreichische Familienrecht in seinen Grundfesten berührt hat.
Können auch Transgender-Personen eineN PartnerIn ihrer Wahl heiraten?
Schoditsch: Vor der „Ehe für alle“ war es teilweise umstritten, ob und wen Transgender-Personen heiraten durften. Besonders das gesetzliche Kriterium der Verschiedengeschlechtlichkeit schuf Anlass für Diskussionen: So etwa, wenn eine Male-to-female-Transperson einen Partner männlichen Geschlechts heiraten wollte. Hier war es unklar, ob nicht eine Ehe zwischen zwei biologischen Männern vorliegen würde. Seit 1.1.2019 haben aber auch Transgener-Personen die Möglichkeit, die Person ihres Herzens zu heiraten – unabhängig von deren Geschlecht.
Und wie verhält es sich mit dem Geschlecht „Divers“?
Schoditsch: Seit Mitte 2018 hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass intersexuelle Personen die Geschlechtsbezeichnung „divers“, „inter“ oder „trans“ führen können. Damit wurde die jahrhundertealte, binäre Geschlechterordnung aufgelöst. Als Folge der Öffnung der „Ehe für alle“ steht auch intersexuellen Personen die Ehe unabhängig vom Geschlecht der Partnerin/des Partners offen.
Wie sieht es für jene Paare aus, die eine eingetragene Partnerschaft geschlossen haben? Wozu benötigt man diese Form überhaupt noch?
Schoditsch: Das österreichische Eherecht stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1938 und damit aus einer Zeit tradierter Rollenbilder. Demgegenüber ist die eingetragene Partnerschaft eine modernere Form des rechtlich anerkannten Zusammenlebens von PartnerInnen. Sie trägt in vielen Bereichen den Bedürfnissen der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts besser Rechnung als die Ehe: Die eingetragene Partnerschaft betont den Gedanken der Autonomie sowie der Selbstverantwortung in einer Beziehung viel stärker als das Eherecht. Angesichts der vielfältigen Formen menschlichen Zusammenlebens bietet sie eine Alternative für jene, denen das Korsett der Ehe zu eng geschnürt ist.
Allerdings gibt es im Zusammenhang mit dem Umstieg von der Eingetragenen Partnerschaft auf die „Ehe für alle“ einige Steine im Getriebe, wo noch Handlungsbedarf des Gesetzgebers besteht. Bislang fehlen gesetzliche Übertrittsregelungen: Dadurch kann es zu Diskriminierungen solcher Paare kommen, wenn Anwartschaften angesprochen sind – etwa beim Erwerb von Staatsbürgerschaften, Aufenthaltsberechtigungen oder pensionsversicherungsrechtlichen Ansprüchen.
Wie ist die Rechtslage, wenn eine gleichgeschlechtliche Ehe im Ausland oder im Inland mit nicht-österreichischen StaatsbürgerInnen geschlossen wurde?
Schoditsch: Wurde eine gleichgeschlechtliche Ehe im Ausland geschlossen, so wird sie in der Regel auch in Österreich anerkannt. Heikler ist das Thema einer gleichgeschlechtlichen Ehe, wenn einE PartnerIn keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Erfahrungen mit der Eingetragenen Partnerschaft haben gezeigt, dass in beinahe 50 Prozent dieser Beziehungen zumindest einE PartnerIn nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Daher wurden im Anschluss an die Öffnung der Ehe spezielle Regeln geschaffen, um gleichgeschlechtliche Hochzeiten internationaler Paare zu ermöglichen.