Die Pandemie ist längst zum Politikum geworden. Regierungschefs lassen sich feiern, weil ihr Land „Impfchampion“ ist. Andere zeigen Stärke, in dem sie die EU außen vor lassen und nationale Impfstoff-Kontingente organisieren. Wird auch die Impfung zum politischen Instrument? Politikwissenschafter Florian Bieber begründet das Kalkül mit Prestige-Gewinn und meint, die nationalen Strategien haben eine geopolitische Dimension.
Florian Bieber: „Die schnelle Impfung der eigenen Bevölkerung ist in Zeiten der Pandemie das Ziel aller Staaten – weltweit. Einige Länder haben jedoch durch das hohe Tempo an Impfungen globale Aufmerksamkeit erreicht, wie Israel oder in Europa Ungarn und Serbien. Hiermit können Regierungschefs unter der eigenen Bevölkerung und auch international an Prestige gewinnen. Warum sind es gerade Populisten, die ein schnelleres Tempo vorlegen? Um einem Impf-Nationalismus vorzubeugen – ein rücksichtsloser Wettkampf der Staaten um die noch knappen Impfungen – hat die EU beschlossen, den Impfstoff gemeinsam zu beschaffen.
Einzelne Staaten können in Hinblick auf Zulassung und Einkauf flexibler sein. Wichtig ist auch die geopolitische Dimension. Russland und China haben gezielt ihre Impfungen an ihre Partner verkauft, nicht aber um eine Zulassung in der EU angesucht. Somit sabotieren sie die EU-weite Koordination. Viktor Orban in Ungarn und Aleksandar Vucic in Serbien können sich hingegen als Impf-Europameister feiern lassen. Dies zementiert die engen Beziehungen zu Russland und China ein, während die EU einmal mehr als Sündenbock dasteht.“
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