Das Informationsinteresse der Bevölkerung gegenüber der Verwaltung und gegenläufige Geheimhaltungsinteressen legislativ auszutarieren ist keine einfache Aufgabe – diesen Eindruck gewinnt man schon seit geraumer Zeit aus den zähen Verhandlungen über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und über die dazugehörigen Änderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes. Die Ziele des Vorhabens sind hochgesteckt, soll es doch den Zugang zu staatlichen Dokumenten, und zwar aller drei Staatsgewalten, und Dokumenten staatsnaher Unternehmen herstellen, und zwar u. a. durch Aufhebung der verfassungsgesetzlichen Amtsverschwiegenheit und Einführung einer allgemeinen Informationsfreiheit.
Am vergangenen Montag, dem 15.01.2024, war die diesbezügliche Regierungsvorlage Thema im Verfassungsausschuss des Nationalrats, der das Gesetzesvorhaben unter Beiziehung von Expert*innen diskutierte. Neben den Abgeordneten kamen Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung, Vertreter*innen der Verfassungsdienste von Bund und Ländern, des Gemeindebundes, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft zu Wort. Die Bundesministerin schickte den Beiträgen im Ausschuss voraus: „Transparenz wird in Zukunft die Regel sein, Geheimhaltung nur noch die Ausnahme. Wir drehen also das bisherige System um 180 Grad, wir geben, wenn Sie so wollen, der Bundesverfassung einen neuen Anstrich und wir ebnen eben den Weg zu diesem modernen Rechtsstaat.“ Zu klären, inwieweit dieser Anspruch auch der legislativen Wirklichkeit entspricht, war unter anderem Aufgabe von Bernd Wieser vom Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft unserer Fakultät.
Mit prominent am Revers platziertem REWI-Button warnte Wieser bereits eingangs: „Es wird ultratechnisch.“ Er versprach damit nicht zu viel – Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer bestellte sich Wiesers Ausführungen direkt in der Sitzung schriftlich – und ging im Detail auf den Entwurf zum IFG, die abzuändernden Passagen des B-VG, deren Sinnhaftigkeit und deren Platz in der österreichischen Verfassungsrechtssystematik ein.
Zu den Neuerungen, die das Gesetz brächte, merkte Wieser unter anderem an, dass die proaktive Informationspflicht einen großen Sprung in die Zukunft gegenüber der geltenden Rechtslage darstelle. Die Unterscheidung zwischen kleinen Gemeinden unter 5.000 Einwohnern, denen keine solche Pflicht auferlegt würde, und größeren Gemeinden, die diese Pflicht sehr wohl träfe, sei jedoch höchst problematisch – Prädikat "Geht gar nicht!". Stünde die Bestimmung nicht in Verfassungsrang, so wäre nach Wieser eine Gleichheitswidrigkeit anzunehmen.
Bei der passiven Informationspflicht sei der Gewinn der neuen Regelungen der Regierungsvorlage ein großer. Das Dokumentenzugangsrecht etwa sei in dieser Form im B-VG bisher nicht verankert und es ergebe sich auch nicht aus der VwGH-Judikatur. Erste Ansätze gebe es allenfalls in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2016 und Folgeentscheidungen, die allerdings explizit Public Watchdogs betrafen. Die geplante österreichische Neuregelung sei im Vergleich dazu umfassender, das verfassungsgesetzlich zu verankernde Dokumentenzugangsrecht käme schließlich jedem und jeder einfachen Informationssuchenden zu.
Ganz explizit widersprach Wieser Bundesministerin Edstadler in Sachen Amtsgeheimnis. Es werde, so das Gesetz wie vorgelegt beschlossen wird, nur dem Namen nach abgeschafft, denn die Verschwiegenheitstatbestände des bisherigen Art. 20 Abs. 3 B-VG tauchten alle in den neuen Normen wieder auf. Aber: Schon bisher sei das Auskunftsrecht gegenüber der Amtsverschwiegenheit vorrangig, und auch begrifflich sei es positiv zu sehen, dass der Terminus nun aus dem B-VG getilgt werden soll.
Wieser warnte vor weiteren, legistisch noch zu klärenden Details, insbesondere aber vor einer Konzentration der Zuständigkeiten in Sachen Informationsfreiheit beim Verfassungsgerichtshof und einer daraus möglicherweise resultierenden Überlastung.
Das mediale Interesse an dem Hearing war insgesamt groß, Berichte finden sich unter anderem im Ö1-Morgenjournal und auf vol.at.