Auch heuer wieder schließt sich die Uni Graz der UN-Kampagne „Orange The World” gegen Gewalt an Frauen an und hisst als sichtbares Zeichen 16 Tage lang orange Fahnen vor dem Hauptgebäude. Vom 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, bis zum 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte.
28 Frauen wurden heuer schon in Österreich, laut einer Zählung der Autonomen Frauenhäuser, mutmaßlich von Männern getötet. Tatverdächtig ist in 27 Fällen ein (Ex-)Partner, Familienmitglied oder eine andere Person mit einem Naheverhältnis zum Opfer. Warum ist die Zahl so hoch? Liegt es an Mängeln im Gewaltschutzrecht? Oder braucht es andere Maßnahmen außerhalb der Gesetzgebung, um Frauen besser zu schützen? „Natürlich könnte man in einigen Punkten nachbessern, aber grundsätzlich hat Österreich ein gutes Gewaltschutzrecht“, sagt Sebastian Gölly, Postdoc am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Uni Graz. Für den Juristen ist aber klar: „Das Gesetz alleine schützt noch nicht, es bietet nur Interventionsmöglichkeiten.“ Entscheidend seien Begleitmaßnahmen.
Hilfe für die Täter ist auch Opferschutz
„Neben der Unterstützung für die Opfer müssen wir unbedingt auch bei den Tätern ansetzen, wenn wir langfristig Verbesserungen erreichen wollen“, betont Gölly. „Mit der verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung für Männer, über die ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt wurde, wurde ein positiver erster Schritt gesetzt“, ist der Jurist überzeugt. Eine weitere wichtige Maßnahme seien unter anderem die Anti-Gewalt-Trainings, die etwa im Rahmen der Strafverfolgung auferlegt werden können. Auch wenn es politisch unpopulär ist: „Der Staat sollte mehr finanzielle Mittel insbesondere für täterzentrierte Interventionen, wie zum Beispiel Therapien, zur Verfügung stellen. Viele können sich diese nicht leisten. Letztendlich sind das ja auch Investitionen in den Opferschutz“, so Gölly.
Das Zauberwort heißt Prävention
Am wichtigsten und auf lange Sicht erfolgreichsten sind aber Maßnahmen zur Prävention, die bereits in den Kindergärten und Schulen verankert werden müssen. Darin sind sich alle Expert:innen einig. Es brauche Aufklärung, Bewusstseinsbildung und Enttabuisierung, damit sich Opfer trauen, Hilfe zu suchen. Und dann sind da noch die geschlechtsspezifischen Rollenbilder, die neu definiert werden müssen.
„Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem, quer durch alle sozialen Schichten und Bereiche“, sagt Anita Ziegerhofer vom Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen. „Seit es Menschen gibt, denken die Stärkeren, dass sie die Schwächeren unterdrücken können. Und nach den traditionellen Geschlechterbildern sind das die Frauen“, so die Rechtshistorikerin. „Deshalb müssen wir von klein auf darauf hinweisen, dass Mädchen und Frauen ebenso ,stark‘ wie Buben und Männer sind, und umgekehrt, Buben und Männer genauso ,schwach‘ wie Mädchen und Frauen. Wir müssen die traditionell geprägten Zuschreibungen aus unseren Köpfen bekommen. Erst dann wird es eine Gesellschaft geben, in der die Geschlechter gleichgestellt sind“, unterstreicht Ziegerhofer.
Praktisch müsse sich der Abbau der Stereotype in allen Bereichen niederschlagen. So könne etwa durch die Beseitigung von Ungleichheit bei Löhnen und Kinderbetreuung Abhängigkeiten entgegengewirkt werden, die häufig ein Grund sind, warum Frauen gewalttätige Partner nicht verlassen.
Einer der Mitbegründer:innen und Hauptverantwortlichen der UN-Kampagne „Orange the World“ in Österreich ist Bernhard Gollob, Doktorand im Team von Anita Ziegerhofer. Sein Appell: „Männer müssen endlich ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft Rechnung tragen und sich aktiv für ein Ende der Gewalt einsetzen.“