Man kennt es aus dem Alltag. Von etwas hat man schon einmal gehört und weiß, dass es das gibt. Allerdings so richtig bekannt ist es nicht. Es wird zuerst einmal kritisch beäugt. Das brauchen wir nicht, ist bisher auch ohne gut gegangen, ist eine Lebenserfahrung, die nicht weit hergeholt ist, und eine Beobachtung, die Sascha Ferz (Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen) als Ausgangspunkt für ein Projekt mit dem Titel „Cooperation Development among Mediators and Lawyers (CODEMAL)“ nahm.
Die Geschichte hinter dem Projekt hat weitere Facetten: „Schon vor 20 Jahren appellierte eine österreichische Studie an die Rechtsanwaltschaft, die Konfliktbearbeitungsstrategie um die verstärkte Berücksichtigung gütlicher Verfahren und mediativer Konzepte zu erweitern und als Keyplayer eine Zusammenarbeit von allen an einem Rechtsstreit beteiligten Berufsgruppen zu unterstützen“, führt der Projektleiter an der Uni Graz aus und ergänzt, „Einige Jahre später legte die European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ) darüber hinaus einen Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Idee der Mediation vor und forderte die Kooperation zwischen dem Gericht, den Anwaltskammern und den Mediationsvereinen ein.“
Sind diese Apelle in der Praxis angekommen? Sascha Ferz, selbst ausgebildeter Mediator und österreichweit erster Professor für Alternative Dispute Resolution an der REWI Uni Graz, schloss sich mit Projektpartner_innen aus Italien, Lettland und Litauen zusammen, um das zu untersuchen. Nach wie vor wurde eine deutliche Skepsis zwischen Anwaltschaft und Mediation festgestellt. Vorbehalte wie „die“ mischen sich ein und verkomplizieren die Sache, Befürchtungen, „die“ könnten einem womöglich etwas wegnehmen, oder die Überzeugung, dass es auch ohne „die anderen“ ganz gut gehe, wurden durch die Bank festgestellt. Sascha Ferz: „Spannend war zu sehen, dass das nicht nur bei uns so ist, sondern in allen vier Ländern genau gleich. Wir stellten durchwegs den Grundtenor fest: Mach' du dein Ding, wir machen unseres.“
Wie geht man das an? Die Idee der Projektpartner_innen war, anhand von Beispielfällen aus dem Bereich von (grenzüberschreitenden) Familienstreitigkeiten zunächst bei den beteiligten Berufsgruppen Anwaltschaft, Gericht und Mediation die jeweiligen Bedürfnisse zu erheben und Strategien einer Bearbeitung des Konflikts für das bestmögliche Ergebnis zum Wohl involvierter Kinder zu entwickeln. Ein nächster, ganz entscheidender Schritt waren dann, wie sich herausstellte, gemeinsame (Fortbildungs-)Seminare mit den Beteiligten. Anwält_innen erhielten dabei Einblicke in die Konfliktbearbeitungsstrategien und Herangehensweisen der Mediation, lernten darüber hinaus „die anderen“, d.h. die Mediator_innen, persönlich kennen und schließlich bearbeiteten sie anhand von Beispielen, wie gemeinsame Herangehensweisen an einen Konflikt sein könnten. Dadurch wurde greifbar und sehr anschaulich, wo die Stärken und das Leistungsvermögen „der anderen“ lag. „So wurde aus etwas Fremden, etwas Bekanntes. Das schuf nicht nur ein tiefergreifendes Verständnis, sondern auch Vertrauen, miteinander ein bestmögliches Ergebnis für alle Parteien erreichen zu können“, erzählt Sascha Ferz aus den praktischen Projektergebnissen.
Was fand man noch heraus? Hier geht’s zum Download des kostenlosen Büchleins zum Projekt, in dem Sie weitere Erfahrungen und Best Practice Beispiele lesen oder u.a. Ideen finden, wie Anwaltschaft und Mediation in gemeinsamen Seminaren Herangehensweisen und Fallbearbeitungsstrategien erarbeiten können.
Die Homepage mit weiteren Infos zum Projekt (mit der Nummer 854024-CODEMAL-JUST-AG-2018/JUST-JTRA-EJTR-AG-2018) und Beispielvideos finden Sie hier.
Konfliktlösung durch Kooperation im Rechtsanwaltsberuf ist auch einer der Programmpunkte der Veranstatlung von Mediation Aktiv mit dem Titel „Konstruktive Konfliktlösung als Investment“ am 28. März (nähere Infos).