Nach drei Jahren Projektlaufzeit – zwei davon während der aktuellen Energiekrise – konnte das Horizon2020-Projekt „EC² – Energy Citizenship and Energy Communities for a Clean Energy Transition“ seine Ergebnisse zusammen mit seinen Schwesterprojekten Energy Prospects, ENCLUDE und Dialogues in Brüssel präsentieren. Der Veranstaltungsort der gemeinsamen Veranstaltung „Energy Citizenship in the Making“ hätte nicht passender gewählt sein können. Das zentral gelegene, ehemalige Industriegebäude LaVallée, das neben weitläufigen, multifunktionalen Veranstaltungshallen einen Ort für Start Ups, Kunstschaffenden und Initiativen bietet, könnte geradezu sinnbildlich für das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit und ressourcenschonender Nutzung unserer Gegenwart stehen. Das Team unserer Universität war mit Sozialpsychologie-Professorin Katja Corcoran und seitens der REWI Uni Graz mit Celin Gutschi, Doktorandin am Institut für Zivilrecht, sowie Negar Ghezel-Sefloo, Post-Doc am Öffentlichen Recht, vertreten.
Alle vier Projekte legten mit unterschiedlichen Schwerpunkten einen Fokus darauf, wie nun notwendige technologische Schritte gesellschaftlich und politisch begleitet werden müssen. In EC² waren dabei die zentralen Fragen, wie das Konzept von Energy Citizenship als Treibkraft der Energiewende dienen kann, und welche Schritte notwendig sind, um Energiegemeinschaften zu fördern. Geforscht wurde dabei in einem multidisziplinären Team aus Rechtswissenschaftler:innen von den Instituten für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht bzw. für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft und Sozialpsycholog:innen unter der gemeinsamen Leitung von Brigitta Lurger vom Institut für Zivilrecht und Katja Corcoran und Ursula Athenstaedt vom Fachbereich Sozialpsychologie. Zusammen mit Forscher:innen und Stakeholder:innen aus sieben verschiedenen europäischen Ländern (Großbritannien, Spanien, Deutschland, Polen, Niederlande, Italien, Österreich) begleitete das Grazer Team Prozesse aus juristischer, sozialpsychologischer und ökonomischer Perspektive wissenschaftlich, um den Wandel zu einer sozial gerechteren und nachhaltigeren Energieversorgung auf diese Weise zu fördern.
Vor dem Projektstart wurden vor allem die technischen Aspekte von nachhaltiger Energiegewinnung behandelt: „Lang galt Photovoltaik als Liebhaberei-Projekt von Einfamilienhaus-Besitzer:innen und war eher für ältere Männern mit technischen Backgrounds interessant.“, so Katja Corcoran, „aber die Energiekrise machte deutlich, dass da nicht nur mehr Bedarf, sondern auch andere Beweggründe relevant sind. Das Interesse an nachhaltiger Energiegewinnung und Energiegemeinschaften ist hoch, aber nicht alle sehen die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen. Hier gilt es, an den entscheidenden Schnittstellen anzusetzen, um eine leichtere Teilhabe und einen niederschwelligen Einstieg zu schaffen.“
Neben Angeboten für einen leichteren Zugang zur Gründung von Energiegemeinschaften bedarf es auch eines Bewusstseinswandels bei Netzbetreiber:innen und Energiekonzernen, wie Celin Gutschi in einer Fishbowl-Diskussion in Brüssel festhielt: „Diese großen Träger:innen stehen Energiegemeinschaften zum Teil kritisch gegenüber, oft behindern sie daher Bestrebungen für eine dezentrale Energieversorgung. Sie sollten diese vielmehr als Ergänzung - und Entlastung, z.B. der Netze - verstehen.“ Zudem ist noch viel auf der legistischer Ebene notwendig: „Nicht nur im Energierecht, sondern auch in anderen begleitenden Gesetzen, beispielsweise im Wohnungseigentumsrecht gibt es noch viele Regelungen, die im Sinne eines Übergangs zur nachhaltigen Energieversorgung angepasst werden müssen. Da gibt es noch viel zu tun.“
Beim Event sprachen Teammitglieder der vier Projekte über die wichtigsten Herausforderungen (Challenges) und Zugänge (Pathways), um die dringenden Fragen einer nachhaltigen und sozial gerechteren Energieerzeugung zu gestalten. Die Herausforderungen drehten sich um das Misstrauen in Institutionen und das Gefühl, als Einzelne:r wenig Handlungsspielraum zu haben. Wichtige Zugänge, welche die vier Projekte in ihrem gemeinsamen Policy Brief identifizieren, wären etwa die gezielte Förderung von Teilhabe und die Inklusion bzw. Entlastung von Menschen, die bisher wenig Ressourcen für eine Mitwirkung hatten, das Vertrauen in demokratische Vorgänge wieder zu stärken und die Unterstützung des Bewusstseins, als Bürger:in Teil der Energiewende zu sein.
Energiegemeinschaften haben dabei einen wichtigen Nutzen, findet Katja Corcoran: „Durch ihren Community-Zugang eröffnen sie Menschen einen alternativen Zugang zu solchen gesellschaftlichen und ökologischen Fragen. Sie geben ihnen eine gestärkte Handlungsfähigkeit und erlauben einen Einstieg in die aktive Mitgestaltung des Energiesystems. Dabei geht diese Form von Inklusion über das Bedürfnis nach Energie hinaus und kann Menschen zusammenbringen.“
Ein Interview mit Brigitta Lurger und Katja Corcoran lesen Sie hier, und auch auf Youtube finden Sie Statements des Projektteams.
Foto mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt von Paula Angélica da Silva Pel (Linkedin), 2024.