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Interview mit Daniel Lecker

 

Der REWI Graz-Absolvent Daniel Lecker hat das Studienjahr 2020/21 an der University of Minnesota verbracht und seinen LL.M. dort abgeschlossen. Wie man sich einen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten inmitten einer Pandemie vorstellen kann, wie die Lehrveranstaltungen und Prüfungen an der University of Minnesota ablaufen und was seine besonderen Highlight waren, erzählte er in diesem Interview:

 

REWI: Stand ein Masters of Law Auslandsstudium ganz oben auf Ihrer To-do-Liste?

Der Gedanke an einen LL.M. im Ausland schwirrte vermutlich seit meiner Erasmus-Zeit in Nottingham (UK) in meinem Kopf herum. Da sich jedoch schon während meines letzten Semesters an der Universität Graz eine Arbeitsmöglichkeit darbot, entschied ich mich den Gedanken vorerst ad acta zu legen. Nachdem ich sodann verschiedene heimische Berufsfelder der Juristerei erkundet hatte, war es mir (erneut) ein Bedürfnis, über den österreichischen Tellerrand zu blicken. Konkret erinnerte ich mich, dass die REWI Graz unlängst LL.M.-Kooperationen anbot.Da ich bereits gewisse praktische Erfahrungen sowie finanziellen Verdienst zur Verfügung hatte, ließen sich auch die auf mich zukommenden Studiengebühren der University of Minnesota Law School mit einer Bewerbung vereinbaren. Im Nachhinein lässt sich definitiv festhalten, dass es definitiv die richtige Entscheidung gewesen ist, erneut in die Ferne zu reisen und Perspektiven kennen zu lernen, welcher man in Österreich niemals, weder durch Lehre noch durch persönlichen Umgang mit anderen Kollegen, habhaft werden könnte. Ich ging – wenn man so will – den umgekehrten Weg als viele meiner Kollegen, welche sich direkt nach dem Abschluss des Diplomstudiums einen Auslandsmasterplatz suchten. Ein fundamentaler Unterschied liegt jedoch in der Abwicklung des Programms durch die Kooperation der REWI Graz und der UMN Law School. Andere Bewerbungsprozedere (wie bspw. jenes der LSE, wo ich mich auch bewarb) sind wesentlich aufwändiger sowie kostspieliger (bpsw. Bearbeitungsgebühren von 50$ bis 200$). Auch lassen sich die Chancen auf einen Fixplatz schwer bis kaum vorab errechnen.

 

REWI: Wie kann man sich Ihren Aufenthalt in den Vereinigten Staaten inmitten einer Pandemie vorstellen?

Ich hoffe zwar, dass zukünftige LL.M.-Studierende nicht mehr von solch einem Umstand betroffen sind, jedoch war das Leben an sich unproblematischer als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Im Gegensatz zu Österreich waren sämtlicher Betriebe, Geschäfte oder auch Lokale in Minnesota geöffnet; und dieser Tenor zog sich durch alle US-Bundesstaaten, welche grundsätzlich ihre Gesundheitsagenden selbst regeln können. Einzig die Einhaltung der Maskenpflicht wurde rigoros umgesetzt. Im Rahmen unserer LL.M.-Gruppe trafen wir uns wöchentlich 3-5-mal für sportliche Aktivitäten, gemeinsame Mittag- bzw. Abendessen sowie Präsenz-Lehrveranstaltungen. Es gab (auch außerhalb meiner Gruppe) wenige Personen, welche generell auf ein studentisches Sozialleben verzichteten (regelkonform natürlich). Zwar war der Campus nicht derart mit jungen Menschen befüllt, wie man es aus Film und Fernsehen kennen könnte, jedoch konnte man ohne weiteres an allerlei Uni-Clubs oder Sportarten teilnehmen – oder wie ich, bei dem jährlichen Law School Musical mitmachen.

 

REWI: Wie war Ihr Studienalltag?

Abhängig davon, welche Kurse man zu Beginn wählt, war es möglich, sowohl ausschließlich in Präsenz als auch nur via Zoom unterrichtet zu werden. Ich wählte einen Mittelweg, sodass ich 3 Kurse (von 10) in den Lehrräumlichkeiten der UMN und den Rest via Zoom besuchte. Ein Kurs führte mich jedoch im Sommersemester beinahe tagtäglich in das „Bezirksgericht“ von Minneapolis, wo ich einem Richter zugeteilt wurde und gewissermaßen eine Mittelstellung zwischen Rechtshörer und Rechtspraktikant einnahm. Die Zoom-Einheiten waren höchstens auf 1h 50 min ausgelegt. Überschneidungen sowie zu eng aneinander gereihte Kurse sind von Systemswegen unmöglich zu absolvieren, besteht doch eine generelle Anwesenheitspflicht in allen Kursen. Außerhalb dieser Zeiten konnte man entweder „readings“ nachkommen oder Aufgabenstellungen (Texte kommentieren, Case Law zusammenfassen, Essays schreiben) absolvieren. Von vornherein sind die Strukturen, die Art des Unterrichts, die Leistungsanforderungen, die Lektüre und Inhalt sowie das Testformat eines jeden Kurses einsehbar. Dem Zufall bleibt wenig bis gar nichts überlassen. Persönlich konnte ich jedoch nicht über Arbeitsstress klagen; es war stets genug Zeit für die eine oder andere Schwimm- bzw. Ski-Session, oder ein gemütliches Zusammensitzen bei benachbarten Brauhäusern. Ein überlegtes Planen der Kurse ist anfangs unerlässlich, insbesondere da man für Zusatzqualifikationen wie etwa eine Rechtsgebiet-Spezialisierung oder die Anforderung für die New York Bar (Anwaltskammerprüfung) eine gewisse Anzahl notwendiger Kurse und Pro bono-Stunden zu absolvieren hat, Zeitkonflikte hinsichtlich der Kursaufteilung leicht zustande kommen und nicht jeder Kurs jedes Semester angeboten wird.

 

REWI: Wie ist das Prüfungsformat an der UMN ausgestaltet?

Das US-amerikanische Benotungssystem sieht eine Skala von A – F vor (wobei diese noch durch „+“ oder „-“ pro Note erweitert wird). Abhängig davon, welche Kursformate man wählt, divergieren auch die Prüfungsmodalitäten, wenngleich mündliche Endprüfungen (wie bspw. die mündliche Fachprüfung aus Arbeitsrecht) vollkommen ausgeschlossen sind. Mündlich wird man vermehrt während der Kurseinheiten befragt, wobei die Qualität der Antworten Einfluss auf die Gesamtnote haben können. Die Professoren, welche in den US ihren Unterricht überwiegend sokratisch und wenig bis kaum frontal gestalten, legen höchsten Wert darauf, dass ein Studierender entsprechend vorbereitet in eine Einheit kommt (kurz gesagt: „readings“ machen). In schriftlicher Hinsicht lassen sich drei Typen des Leistungsnachweises unterscheiden. Erstens kann ein Kurs ein entweder 3- oder 8-stündiges schriftlichen Abschlussexamem beinhalten (wobei LL.Ms. ein zusätzliches Zeitguthaben von etwa 1 Stunde zur Verfügung steht). Das Zweite Format beinhaltet das Verfassen eines papers/essays, dasmindestens 5.000 Wörter umfasen und dessen Thema bzw. Inhalt vorab mit dem jeweiligen Professor abgeklärt werden muss. Die dritte Variante ist das Absolvieren verschiedener kleiner Aufgaben über das Semester hinweg (bspw. die Abgabe wöchentlicher Hausübungen). Gelegentlich kann ein Kurs auch eine Kombination aus mündlichen (bspw. „mock trials“) und schriftlichen (Kommentare zu „readings“) Aufgaben und einem schrifltichen Abschlusstest sein. Diese sind äußerst aufwendig und mit Vorsicht auszuwählen. Unterm Strich gilt jedoch: Jeder Studierende bezahlt sehr viel Geld für sein Studium, also besteht auch jeder Studierende seine Kurse. Durchzufallen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Jener Notenschnitt, welcher in den USA aber notwendig ist, um eine entsprechende Karriere nach dem Studium zu starten, ist jedoch hart zu erkämpfen (ab einem GPA unter 3.5 = A-/B+ Schnitt wird das Andocken im erträumten Anwaltsleben schwierig). Dazu sei gesagt, dass der LL.M. in den USA weniger an materieller Wertigkeit besitzt als das einheimische Jus-Studium (J.D.). Um in einer Kanzlei als LL.M.-Absolvent anfangen zu können, ist zusätzlich zu den anderen offiziellen Hürden ein wahrhaft außergewöhnlicher Notenschnitt (GPA von 3.8 oder höher) erforderlich.

 

REWI: Was waren Ihre persönlichen Highlights?

Neben dem Kennenlernen von Juristen aus aller Welt bietet Minnesota eine Vielzahl an sportlichen und kulinarischen Leckerbissen. Es gibt eine große Auswahl einheimischer Produkte, insbesondere Bier-Marken. Neben den traditionellen Sportarten, welche die Uni-Clubs anbieten, sind sowohl Schwimmausflüge als auch Ski-Cross-Country-Touren möglich. Mit etwas Glück hat man auch die Gelegenheit, in ein Native-American-Reservat zu gelangen. Dies alles in Kombination mit Menschen welche bspw. noch nie schwimmen gelernt haben oder etwa das erste Mal in ihrem Leben Schneefall und Temperaturen bis zu -30 erleben, macht es zu einem bunten Abenteuer, welches sich neben der „Studiererei“ durchaus erleben lässt. Nebst unbeschreiblich humorvollen Beiträgen mancher Kollegen (und Professoren) während der Unterrichtseinheiten wird mir definitiv jener Tag in Erinnerung bleiben, an dem meine Kollegen während eines Wochenendausfluges einen Fußball in einen noch halb zugefrorenen See geschossen haben, welchen ich anschließend schwimmend „herausfischen“ durfte.

 

REWI: Welche Tipps haben Sie für Studierende, die auch einen Auslands-Master planen?

Planung ist gut, Informationen sind besser. Es macht deutlich mehr Sinn, sich mit Vorgängern zu unterhalten, welche bereits an der gewünschten Universität ein Studium absolviert haben. Dies erleichtert nicht nur das konkrete Bewerbungsprozedere, sondern auch die Kurs- bzw. Wohnauswahl. Da sowohl Studium als auch Aufenthalt in den US kostspielige Angelegenheiten sind, ist die Wahrnehmung eines Kooperationsprogrammes mit Stipendium vermutlich finanziell angenehmer als eine Direktbewerbung an einer Uni, mit der kein Abkommen existiert. Vielleicht schadet auch der eine oder andere Gedanke vorab nicht, wieso man überhaupt einen LL.M. anstrebt. Spätestens im Statement of Academic Purpose (was ein Teil der Bewerbungsunterlagen darstellt) sollte man ungefähr über seine wissenschaftlichen Ziele bzw. die Professoren, dessen Kurse man besuchen möchte, referieren können. Dass heimische Kanzleien bspw. immer mehr Wert auf Auslandserfahrungen und Menschenkenntnis und interkulturelle Kompetenz legen, kann man sowohl als Anreiz als auch Druckpunkt sehen, um den Sprung ins Ausland zu wagen. Dem ist entgegenzuhalten, dass man natürlich auch in den USA sein berufliches/persönliches Glück finden und dort getrost weiterstudieren bzw. auch sehr lukrativ arbeiten kann (als Vergleich, der Jahresbruttolohn eines Rechtsanwaltsanwärters einer  kann bis zu 120.000$ betragen). Über all diesen Gedanken sollte jedoch der Grundsatz stehen, dass man gerne dazu bereit ist, das Unbekannte zu erkunden und neue Vorstellungen und Ideen (nicht nur juristischer Art) zu sammeln  und es sollte ein erweitertes Interesse an einer anderen Kultur als der eigenen bestehen.

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